Aus dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie bei der Bundesärztekammer
28.03.2000 Kurz gemeldet vom DPTV: Neuropsychologische Verfahren vom wissenschaftlichen Beirat anerkannt.. Auf seiner gestrigen Sitzung bestätigte der Beirat die wissenschaftliche Fundierung der Neuropsychologie. Der DPTV gratuliert den Kolleginnen und Kollegen der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) zu diesem Erfolg bei der Darstellung ihres Verfahrens.
Zur Ablehnung der Systemischen Therapie bringen die Berliner Blätter folgende Texte
Gutachten
zur Systemischen
als wissenschaftlichem
Zu den
Bekanntmachungen des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie in Heft 1-2/2000
Verarmung
der Wissenschaft
Die
Arbeitsgemeinschaft für Systemische Therapie (AGST) stellte im Februar 1999
beim Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie den Antrag, die Systemische
Therapie gemäß § 11 Psychotherapeutengesetz (PsychTG) als wissenschaftliches
Psychotherapieverfahren anzuerkennen. Die AGST ist die Dachorganisation von drei
Verbänden: Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Familientherapie, Dachverband für
Familientherapie und systemisches Arbeiten, Systemische Gesellschaft, Deutscher
Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung. Dem
Antrag wurde eine ausführliche Dokumentation beigefügt, die mit Unterstützung
eines Experten-Beirates erstellt worden war. (Als Buch erschienen: Schiepek G:
Die Grundlagen der Systemischen Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht, 1999)
Dennoch hat
der Wissenschaftliche Beirat der Systemischen Therapie die Anerkennung versagt.
Hierzu nimmt die AGST Stellung: In den USA, Großbritannien, Österreich, den
Niederlanden und der Schweiz gehört die Systemische Therapie seit Jahren zum
Spektrum der Psychotherapie. Weltweit wird sie an unzähligen Universitäten
gelehrt; in den USA und Großbritannien ist es möglich, in Systemischer
Therapie zu promovieren oder die Facharztprüfung abzulegen. Allein in
Deutschland haben über 15 000 Angehörige helfender Berufe an
Weiterbildungskursen in Systemischer Therapie und Beratung teilgenommen. Davon
erfüllen rund 5 700 die hohen Qualitätsstandards der Fachverbände, darunter
500 Ärzte und 2100 Diplom-Psychologen.
Neben
zahlreichen Publikationen erscheinen fünf systemische Fachzeitschriften;
mehrmals jährlich finden Kongresse und Fachtagungen statt.
Aufgrund von Kriterien zur Wirksamkeitsprüfung - die keineswegs unstrittig sind - wird die Systemische Therapie in Deutschland zu einem unwissenschaftlichen Verfahren herabgestuft und in die Nähe der Scharlatanerie gerückt. Die Argumentation des Beirates zur Dokumentation der AGST erscheint willkürlich und diskreditierend und der Diktion nach suggestiv und irreführend. Dies entspricht weder der programmatischen Plattform, die sich der Wissenschaftliche Beirat selbst gegeben hat, noch dem gesetzgeberischen Geist des § 11 PsychTG: Durch die Beschränkung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren soll Missbrauch verhindert und psychisch kranke Menschen sollen vor Willkür geschützt werden. Zu einer eigenständigen Prüfung und Anerkennung von Verfahren anhand selbst festgelegter Kriterien ist der Beirat laut Gesetz nicht legitimiert
Das PsychTG
definiert die Ausübung der Psychotherapie als jede mittels wissenschaftlich
anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur
Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei
denen Psychotherapie indiziert ist (§ 1 Abs. 3). So sinnvoll diese sogenannte
Wissenschaftlichkeitsklausel ist, so kompliziert sind ihre Folgen. Gerade in
Psychologie und Psychotherapie, wo der „Gegenstand" der
wissenschaftlichen Suche nicht von vornherein feststeht, hat sich auf der Basis
eines wissenschaftlichen Pluralismus eine durchaus förderliche, also im
eigentlichen Sinne „wissenschaftliche" Modellkonkurrenz entwickelt. Die
Modelle haben sich aus zum Teil gegensätzlichen wissenschaftstheoretischen
Grundlagen entwickelt. Verfahren, die etwa auf Hermeneutik und Phänomenologie
beruhen, stehen Modelle gegenüber, die sich eher auf naturwissenschaftliche
Paradigmata berufen. Therapie als anwendungsbezogene Umsetzung
systemwissenschaftlicher Theorien hat hier durchaus einen theoretisch
pointierten Ort.
Die
Pluralität der Modelle und die kreative Vielfalt der durch sie stimulierten
Konzepte wird als hoher Wert anerkannt. Dieser heterogene Wissenschaftsbetrieb
wird von den Gutachtern auf das Ideal eines homogenen,
einheitswissenschaftlichen Verständnisses von Wissenschaft reduziert - und
verarmt damit. Insbesondere die Gleichsetzung von „Wissenschaftlichkeit"
mit „Wirksamkeit" ist unhaltbar. Wissenschaftlichkeit betrifft den
logischen Aufbau eines wissenschaftlichen Bereiches, Wirksamkeit hingegen eine
spezifische Variante davon. Diese Kriterien sind voneinander zu unterscheiden.
Es ist daher nicht nachzuvollziehen, dass die Vielfalt der Psychotherapien in
Deutschland auf zwei Verfahren eingeschränkt wird. Das kommt weder den
Patienten noch den Therapeuten, noch der Weiterentwicklung der Psychotherapie
zugute.
Diese
Stellungnahme wird von 58 Hochschullehrern und leitenden Ärzten aus
psychiatrischen, Kinder- und Jugendpsychiatrischen und psychosomatischen
Kliniken unterstützt.
Für die AGST:
Dr.
med. Rolf Thissen
Fachklinik für Psychiatrie
Hospitalstraße 5
66798 Wallerfangen
Der Wissenschaftliche
Beirat Psychotherapie
nimmt dazu im Deutschen Ärzteblatt wie folgt Stellung
Wirksamkeitskriterien
angewendet
Im „Leitfaden für die Erstellung von Gutachten/Anträgen zu Psychotherapieverfahren" (Dt. Ärztebl. 1999; 96: A 1015 [Heft 15]) sind die Anforderungen beschrieben, die der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie an ein wissenschaftlich anerkanntes Psychotherapieverfahren stellt. Eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für die wissenschaftliche Anerkennung ist die Wirksamkeit, möglicherweise beschränkt auf bestimmte Störungs- und Krankheitsbilder, die durch wissenschaftliche Studien gut begründet ist. Da der Gesetzgeber für diese Bewertung keine Maßstäbe vorgegeben hat, wurden Kriterien für die Beurteilung der Wirksamkeit erstellt und veröffentlicht (Dt Ärztebl 2000; 97: A 59-63 [Heft 1-2]).
Danach erfolgt die Entscheidung über die Wirksamkeit auf der Grundlage methodisch adäquater Studien, wobei solche Studien, die eine Übertragung der Wirksamkeitsnachweise auf die Versorgungspraxis erlauben, bei der Bewertung besonders berücksichtigt werden sollen.
Die Bewertung eines psychotherapeutischen Verfahrens als wissenschaftlich trägt also keineswegs nur dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr für die Gesundheit der Bevölkerung Rechnung, sondern erfordert den positiven Nachweis der Wirksamkeit. Dem Wissenschaftlichen Beirat ist bekannt, dass der zeitgenössischen Psychotherapie durchaus divergierende, zuweilen konkurrierende wissenschaftstheoretische und anthropologische Positionen zugrunde liegen. Aus eben diesem Grund wurden weder im Leitfaden noch bei den Kriterien Anforderungen gestellt, die sich ausschließlich aus einer bestimmten Position heraus entwickeln lassen oder sich auf eine bestimmte beziehen.
Daher wird nicht das Ideal eines homogenen,
einheitswissenschaftlichen Verständnisses von Wissenschaft vertreten.
Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie c/o Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1 50931 Köln