Zu den Gutachten zur Systemischen- und Gesprächspsychotherapie und den Minderheitsvoten
Weitergeleitet von den Berliner Blättern für Psychoanalyse und Psychotherapie:
B U N D E S Ä
R Z T E K A M M E R
Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie
Die wissenschaftliche Anerkennung psychotherapeutischer Verfahren muss auch die
Breite oder Enge der Anwendungsbereiche dieser Verfahren berücksichtigen: Dabei
kann nicht einfach von Befunden für ein Störungsbild auf Wirkungen bei einer
anderen Störung gefolgert werden. So kann beispielsweise aus einer
wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesenen Wirkung eines Therapieverfahrens bei
spezifischen Phobien nicht auf eine Wirksamkeit bei Depressionen oder
Alkoholabhängigkeit geschlossen werden.
Da die Gesamtzahl aller Störungsbilder im Indikationsbereich der Psychotherapie
zu groß ist, um jeweils Einzelnachweise zu verlangen, kann nicht auf der Ebene
einzelner Störungen über die wissenschaftliche Anerkennung entschieden werden.
Es muss eine Kategorisierung in größere Klassen von Störungen erfolgen, wobei
sinnvollerweise neben der möglichen nosologischen und phänomenologischen Nähe
auch die Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung, ihr Vorkommen in der
psychotherapeutischen Praxis und ihre Bedeutung als Gegenstand der
Psychotherapieforschung berücksichtigt werden sollten.
Eine vollständige Gleichwertigkeit der Klassen kann dabei
nicht erreicht werden.
Auf dieser Basis hat der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie die folgende Zusammenfassung der wesentlichen Anwendungsbereiche von Psychotherapie in Anlehnung an den ICD-10-Schlüssel erstellt. Sie sind nicht als Alternative zu geltenden Diagnoseschlüsseln wie der ICD10 oder zur nosologischen Klassifikation zu verstehen, die anderen, sehr viel weiteren Aufgabenstellungen dienen.
Der Wissenschaftliche Beirat überprüft die
Wirksamkeitsnachweise - unbeschadet der Prüfung weiterer Kriterien der
wissenschaftlichen Fundierung - für jeden Anwendungsbereich der vorliegenden
Liste getrennt und gibt an, für welche Anwendungsbereiche ein Verfahren
gegebenenfalls als „wissenschaftlich anerkannt" gelten kann. Studien, die
eine Übertragung der Wirksamkeitsnachweise auf die Versorgungspraxis erlauben,
werden bei der Bewertung besonders gewichtet.
Dabei gelten folgende Grundsätze:
1. Der Wirksamkeitsnachweis für einen Anwendungsbereich
kann in der Regel dann als gegeben gelten, wenn in mindestens drei
unabhängigen, methodisch adäquaten Studien die Wirksamkeit für Störungen aus
diesem Bereich nachgewiesen ist.
2. Die Anzahl von drei erforderlichen Studien für einen einzelnen Anwendungsbereich kann teilweise reduziert werden, wenn ‑ in der Regel ältere ‑ methodisch adäquate Wirksamkeitsstudien ohne Angabe eines spezifischen Störungsbereichs oder mit mehreren klar definierten Störungsgruppen vorliegen. Dies gilt allerdings nur für die Anwendungsbereiche 1 bis 8 der aufgeführten Liste. Liegen in der Regel mindestens acht solche allgemeinen, ansonsten methodisch adäquate Studien vor, kann die Wirksamkeit für einen Anwendungsbereich aus dieser Gruppe bereits dann als hinreichend nachgewiesen gelten, wenn lediglich zwei für diesen Anwendungsbereich spezifische Studien vorliegen. Die Wirksamkeit für die Anwendungsbereiche 9 bis 12 der Anwendungsbereichsliste kann lediglich durch spezielle Wirksamkeitsnachweise im Sinne von 1. nachgewiesen werden.
Empfehlungen für die Ausbildung und für die Anerkennung
von Ausbildungsstätten durch die Landesbehörden (Diese Empfehlungen sollten
auch in der anstehenden Novellierung der Muster-Weiterbildungsordnung für
Ärzte berücksichtigt werden)
Grundsätzlich sollten alle 12 Anwendungsbereiche in der
Ausbildung berücksichtigt werden. Übergangsweise wird für die Anerkennung von
Ausbildungsstätten vorgeschlagen:
1. Nur solche Therapieverfahren, die für mindestens fünf
Anwendungsbereiche der Psychotherapie (1 bis 12 der Anwendungsbereichsliste)
oder mindestens vier der „klassischen" Anwendungsbereiche (1 bis 8) als
wissenschaftlich anerkannt gelten können, sollen als Verfahren für die
vertiefte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend § 1
Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische
Psychotherapeuten zugelassen werden.
2. Therapieverfahren, die für eine geringere Anzahl von Anwendungsbereichen,
als unter 1. genannt, als wissenschaftlich anerkannt gelten können, können im
Rahmen der vertieften Ausbildung als Zusatzverfahren gelehrt werden.
Wesentliche Anwendungsbereiche der Psychotherapie bei
Erwachsenen
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