1.2.2000 Was ist der Bewertungsausschuss ?
Stellungnahme der AGR zum Beschlußantrag des Bewertungsausschusses (KBV)
An
den
Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
Herrn Dr.
Richter-Reichhelm
Herbert-Lewin-Str. 3
50931
Köln
nachrichtlich:
Fachausschuss Psychotherapie, Bewertungsausschuss
Weiterentwicklung des EBM - Beschlußantrag für den Bewertungsausschuß, Teil C
den
29.01.2000
Sehr
geehrter Herr Dr. Richter-Reichhelm, sehr geehrte Vorstandsmitglieder,
die
bisherige Linie des KBV-Vorstandes, einen Interessenausgleich zwischen den
verschiedenen Fachgruppen zum Erhalt der gemeinsamen Interessen und zur
Vertretung einer soliden Politik nach außen zu versuchen, haben Sie auf der
Sitzung vom 20.01.00 mit dem
Beschlussantrag Teil C des Bewertungsausschusses zur künftigen Honorierung der
Psychotherapeuten verlassen. Das ist mehr als bedauerlich und wird von den
Psychotherapeuten nicht hingenommen werden.
Das
immense Finanzierungsproblem der psychotherapeutischen Versorgung ist
allenthalben bekannt. Die über regionale Verhandlungen mit den Krankenkassen
hereinverhandelten zusätzlichen Gelder konnten an dieser Dimension nur wenig
ändern. Die Deckungslücke von 1,942 Milliarden DM im Psychotherapie-Budget ‘99
bundesweit, maximal um 400 Millionen DM vermindert durch die Verhandlungen, kann
nicht durch Umverteilung innerhalb des ärztlichen Gesamtbudgets gelöst werden.
Insofern stimmen wir mit Ihnen völlig überein.
Der
angesichts dieser brisanten Situation gefaßte Vorstandsbeschuß ist aber leider
völlig ungeeignet, die Probleme zu lösen. Er konterkariert darüberhinaus die
klaren und eindeutigen Vorgaben der vier BSG-Urteile vom 25.08.99:
Nach den Feststellungen des BSG ist alleiniger Maßstab für die Bemessung des Psychotherapie-Punktwertes das Einkommen des Arztes für Allgemeinmedizin. Dieses hat das Gericht mit durchschnittlich DM 135.014,- beziffert und im übrigen ausgeführt, daß die Psychotherapeuten ein solches Einkommen - selbst bei optimal ausgelasteter Praxis - nur bei Zugrundelegung eines Punktwertes von 10 Pfennigen erzielen können. Deshalb ist auch im Rahmen des § 85 Abs. 4 Satz 4 zunächst einmal davon auszugehen, daß ein Punktwert von 10 Pfennigen zur „angemessenen“ Vergütung im Sinne dieser Vorschrift führt. Die Berechnungsgrundlagen des Beschlusses vom 20. Januar („Ist-Umsatz“, „Soll-Umsatz“, Betriebsausgaben, „fiktiver Leistungsbedarf“) sind in diesem Zusammenhang, unter Beachtung der Direktiven des BSG, das ausdrücklich und allein eine typisierende Betrachtung anordnet, verfehlt.
Auch wenn wir nicht verkennen, daß bei signifikantem Rückgang der GKV-Überschüsse anderer Arztgruppen gegenüber den Annahmen des BSGin seinen Urteilen vom 25.08.99 auch eine entsprechende Absenkung des Punktwertes für die EBM-Leistungen der Nrn 871 ff in Betracht kommt, so müßte eine tatsächliche Minderung für das Jahr 1999 substantiiert dargelegt werden. Für die Zeit nach Inkrafttreten der GKV-GR-2000 ist außerdem zu beachten, daß die bisher zu niedrige Vergütung der Allgemeinmediziner durch die Gesetzesvorgabe verbessert wurde. Der durchschnittliche Praxisüberschuß der Psychotherapeuten wäre dann an dem der Allgemeinmediziner im gleichen Jahr zu messen. Bei einem solchen Vergleich wäre zudem der Aspekt, daß das das BSG bei seinen Feststellungen von einer - zu Lasten der Psychotherapeuten - „in mehrfacher Hinsicht optimierten“ Vergleichsberechnung ausgeht, adäquat zu berücksichtigen.
Der aus Ihrer Berechnung resultierende Punktwert und Stundenumsatz ergibt Werte bereits nominell auf dem oder unter dem Niveau der Quartale ‘93/’94, die das BSG in unmißverständlicher Weise als unrechtmäßig beurteilt hat. Unter Einbezug der Inflationsrate ist die bereits für die Quartale ‘93/’94 konstatierte Gefährdung der Sicherstellung noch eklatanter. Der Beschuß ist damit schlicht rechtswidrig.
Die Fehlberechnungen täuschen außerdem vor, die psychotherapeutische Versorgung könne innerhalb der ärztlichen Gesamtvergütung finanziert werden. Der so weggerechnete tatsächliche Finanzierungsbedarf wird aber letztendlich doch bedient werden müssen, da die Psychotherapeuten in jedem Fall eine Regelung auf der Grundlage der BSG-Entscheidungen einklagen werden, notfalls wieder durch alle Instanzen. Der Vorstand riskiert also, daß im Nachhinein die gesamten Kosten aus der ärztlichen Gesamtvergütung gezahlt werden müssen. Und dabei wird es sich um Nachzahlungen gewaltigen Umfangs handeln, weil natürlich - anders als in vergangenen Quartalen - jeder Psychotherapeut für jedes Quartal Widerspruch gegen seine Honorarbescheide einlegen wird.
Vor
allen Dingen gibt der Vorstand mit dem Beschluß der Politik gegenüber das
letzte Argument aus der Hand: Mit dem völlig falschen Signal, die
Psychotherapie könne tatsächlich angemessen im Gesamtbudget bezahlt werden,
erweckt er den Anschein, als gäbe es in Sachen Psychotherapie keinen
Handlungsbedarf mehr.
Wir
hoffen sehr, daß dieser mit heißer Nadel gestrickte Beschluß noch nicht die
letzte Antwort des Vorstandes auf die außerordentlichen honorarpolitischen
Herausforderungen ist. Wir bitten Sie eindringlich, den eingeschlagenen Weg
aufzugeben. Es kommt jetzt ganz entscheidend darauf an, sich nicht parzellieren
zu lassen, sondern gemeinsam gegenüber der Politik für eine Aufstockung des
ärztlichen Gesamtbudgets zur Finanzierung der Psychotherapie zu kämpfen. Wir
haben Verständnis, wenn KVen, um Schaden von der übrigen Ärzteschaft abzuwenden,
die Verpflichtung zur Umsetzung des BSG-Urteils und des § 85 (4), d.h. die
Auszahlung des 10 Pf-Punktwertes nicht unmittelbar aus der ärztlichen
Gesamtvergütung vornehmen, sondern unter Finanzierungsvorbehalt stellen - unter
Beachtung der dringenden Überlebenserfordernisse psychotherapeutischer Praxen.
Es sollte nicht dazu kommen, daß durch den notwendigen Ausbau der Psychotherapie
die übrige Versorgung Schaden nimmt. Völlig unhaltbar ist es aber, den
Psychotherapeuten die angemessene und verteilungsgerechte Vergütung per
Rechenexempel abzusprechen und ein Honorar zu vergüten, das bekanntermaßen die
Psychotherapeuten dem Ruin überantwortet.
Wir
appellieren daher noch einmal an Sie, in Verantwortung für die Psychotherapie
wie für die Gesamtärzteschaft mit realistischen Zahlen auf der Grundlage der
BSG-Urteile, die Verhandlungen mit dem BMG und den Kassenverbänden wieder
aufzunehmen.
Wir
fordern Sie dazu auf, den Beschluß umgehend zurückzuziehen, damit es nicht zu
einer sonst unabwendbaren gegenseitigen Beschädigung vor der Politik statt eines
entschiedenen Kampfes miteinander kommt.
Mit
freundlichen kollegialen Grüßen
für die AGR
Dr.
F.R. Deister, bvvp
gez. RA Holger Schildt, BPP in der DGPT