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Herrscht Sachverstand im Sachstandsbericht des BMG ?

Die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie geben nachfolgend den Sachstandsbericht des BMG wieder, der zur Expertenanhörung am 23.6.99 vor dem Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages vorgelegt wurde. 

Bedauerlicherweise folgt dieser Bericht bei einigen wichtigen Punkten einer restriktiven Auslegungspraxis des Gesetzes. Diese Praxis muß auf energischen demokratischen Widerstand stoßen, weil sie geeignet ist, nachträglich, unter Umgehung des Parlaments, Gesetzesänderungen einzuführen. Was bestimmte Lobbyverbände während des Gesetzgebungsverfahrens nicht in den Gesetzestext einbringen konnten, soll nunmehr mit Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums unter Zuhilfenahme einer Interpretationsakrobatik in den Gesetzestext hineingeschmuggelt werden.

Ähnliches passierte mit der Zeitfensterregelung.

Auf zwei Punkte machen wir hier aufmerksam:

1. Das BMG behauptet

Die Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG setzen zur Erlangung der Approbation als "Psychologischer Psychotherapeut" ein abgeschlossenes Psychologiestudium voraus. Bisher psychotherapeutisch Tätige aus anderen »»Quellenberufen" (Soziologen, Theologen, Philologen etc.), die häufig gemeinsam mit Psychologen und Ärzten ihre psychotherapeutische Ausbildung absolviert haben, machen in verschiedenen Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit geltend, daß die gesetzlichen Regelungen in § 12 PsychThG gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Berufsfreiheit und den Bestandsschutz verstießen und drängen auf Änderung des Gesetzes. Die Voraussetzung des abgeschlossenen Psychologiestudiums fand bereits Eingang in den Gesetzentwurf der 12. Legislaturperiode in Anlehnung an die Psychotherapievereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und entsprach der Absicht, den Standard der psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen durch den Nachweis einer qualitätsorientierten Ausbildung dauerhaft zu sichern.

Der einschlägige Text des Psychotherapeutengesetzes liest sich jedoch anders: 

 § 12 Übergangsvorschriften

(1) Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien in der Neufassung vom 3. Juli 1987 - BAnz. Nr. 156 Beilage Nr. 156 a -, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12.03.1997 - BAnz. Nr. 49 S. 2946), als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkt oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllt, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 auf Antrag eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten oder eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Satz 1. Das gleiche gilt für Personen, die die für eine solche Mitwirkung vorausgesetzte Qualifikation bei Vollzeitausbildung innerhalb von drei Jahren, bei Teilzeitausbildung innerhalb von fünf Jahren, nach Inkrafttreten des Gesetzes erwerben.

Die Besitzstandwahrung gilt also, entgegen der Auffassung des BMG, auch für Nichtpsychologen, soweit sie bis zum Inkrafttreten des PTG am Delegationsverfahren mitgewirkt hatten oder die Voraussetzungen dazu erfüllten. Die Approbationsbehörden haben deshalb auch bereits solchen Kolleginnen und Kollegen, die einen anderen akademischen Vorberuf als den des Psychologen ausübten, die Approbation erteilt.

Schon die Systematik des Psychotherapeutengesetzes hätte die Zweifelnden eines Besseren belehren können:

Wird in den Ziffern 2 -5 der Übergangsregelungen des PSThG (§12) jeweils auf Diplompsychologen oder auf Abschlüsse im Studiengang Psychologie verwiesen, so beschränkt sich die Ziffer 1 gerade NICHT auf Diplompsychologen, sondern schließt alle diejenigen ein, die ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkten oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllten.

Es folgt der Text des Sachstandsberichtes in Auszügen:
(auf den vollständigen Text wird unten verwiesen)

Sachstandsbericht
des Bundesministeriums für Gesundheit zur Umsetzung des Psychotherapeutengesetzes (23.6.99)

I. Berufsrechtliche Neuordnung

Die in Artikel 1 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) enthaltene berufsrechtliche Neuordnung ist in ihren wesentlichen Teilen am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Sie enthält die bundeseinheitliche Regelung für die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten sowie des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die vom Bundesministerium für Gesundheit zu erlassenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vom 18. Dezember 1998 sind mit Zustimmung des Bundesrates ebenfalls am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Die Ausführung des Gesetzes obliegt gemäß Artikel 83 GG den Ländern, so daß sich die Berichterstattung weitestgehend auf Länderangaben stützt.

Die Bundesländer haben zur Umsetzung des Psychotherapeutengesetzes eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Niedersachsen gebildet, die ihre Arbeit bereits im März 1998 aufnahm und eine möglichst bundeseinheitliche Ausführung des Gesetzes gewährleisten sollte. Das Bundesministerium für Gesundheit hat mitgewirkt. Auf der Grundlage eines Berichtes der genannten Arbeitsgruppe für die Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) am 22.April 1999 stellt sich die Umsetzung des Gesetzes aus Ländersicht im wesentlichen wie folgt dar; aus Sicht des BMG ist auf die unter 1. c) und 4. genannten Aspekte hinzuweisen:

1. Approbationsverfahren gemäß § 12 Psychotherapeutengesetz

Die Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung "Psychologischer Psychotherapeut" oder "Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut" erfordert eine Approbation (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PsychThG). Voraussetzung hierfür ist neben dem Abschluß eines Hochschulstudiums im Fach Psychologie oder - im Fall des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten - der Pädagogik oder Sozialpädagogik eine mindestens dreijährige, in Teilzeitform fünfjährige Ausbildung mit abschließender staatlicher Prüfung.

Diese Neuregelungen wirken jedoch erst in der Zukunft; in § 12 PsychThG ist daher eine Übergangsvorschrift vorgesehen, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die derzeit tätigen Psychotherapeuten eine Approbation erhalten.

(Anmerkung 1 der Redaktion "Berliner Blätter": Hier (oben) folgt also der Sachstandsbericht des BMG noch dem Gesetzestext)

(Anmerkung 2 der Redaktion "Berliner Blätter": Nachfolgend behauptet das BMG aber das Gegenteil, nämlich einen vom Psychotherapeutengesetz nicht gedeckten Sachstand) :

c) Besitzstandswahrung für Nichtpsychologen

Die Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG setzen zur Erlangung der Approbation als "Psychologischer Psychotherapeut" ein abgeschlossenes Psychologiestudium voraus.

 

Anmerkung der Berliner Blätter:
Das ist eine eindeutige Falschinformation des BMG.

Der § 12 PsyThG lautet::

"§ 12 Übergangsvorschriften

(1)Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien in der Neufassung vom 3. Juli 1987 - BAnz. Nr. 156 Beilage Nr. 156a -, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. März 1997 - BAnz. Nr. 49 S. 2946), als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkt oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllt, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 auf Antrag eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten oder eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Satz 1. Das gleiche gilt für Personen, die die für eine solche Mitwirkung vorausgesetzte Qualifikation bei Vollzeitausbildung innerhalb von drei Jahren, bei Teilzeitausbildung innerhalb von fünf Jahren, nach Inkrafttreten des Gesetzes erwerben."

Das bedeutet, daß es neben Diplompsychologen auch Angehörige anderer akademischer Disziplinen gibt, die eine Approbation als Psychologischer Psychotherapeut erhalten können und tatsächlich auch erhalten haben, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des PsTh.G an der vertragsärztlichen Versorgung mitgewirkt haben oder die Voraussetzungen dazu erfüllten.

Schon die Systematik des Psychotherapeutengesetzes hätte die Zweifelnden eines Besseren belehren können:

Wird in den Ziffern 2 -5 der Übergangsregelungen des PSThG (§12) jeweils auf Diplompsychologen oder auf Abschlüsse im Studiengang Psychologie verwiesen, so beschränkt sich die Ziffer 1 gerade NICHT auf Diplompsychologen, sondern schließt alle diejenigen ein, die ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkten oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllten.

Es kann vermutet werden, daß sich das BMG zu dieser Falschinformation verleiden ließ, um sich Rechtsstreitigkeiten zu erparen. Da "nichtärztliche Psychotherapeuten" (Das war in der Zeit des Delegationsverfahrens der gängige Sprachgebrauch, woraus ebenfalls ersichtlich wird, daß es sich nicht nur um Diplompsychologen gehandelt hat), die vor Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes im Delegationsverfahren psychotherapeutisch tätig waren, wurde befürchtet, daß nun auch Nicht-Psychologen, die im Erstattungsverfahren an der psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mitwirkten, vor den Gerichten auf Gleichbehandlung klagten.

So heisst es dann auch weiter im Sachstandsbericht des BMG:

Bisher psychotherapeutisch Tätige aus anderen "Quellenberufen" (Soziologen, Theologen, Philologen etc.), die häufig gemeinsam mit Psychologen und Ärzten ihre psychotherapeutische Ausbildung absolviert haben, machen in verschiedenen Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit geltend, daß die gesetzlichen Regelungen in § 12 PsychThG gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Berufsfreiheit und den Bestandsschutz verstießen und drängen auf Änderung des Gesetzes.

* Die Voraussetzung des abgeschlossenen Psychologiestudiums fand bereits Eingang in den Gesetzentwurf der 12. Legislaturperiode in Anlehnung an die Psychotherapievereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und entsprach der Absicht, den Standard der psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen durch den Nachweis einer qualitätsorientierten Ausbildung dauerhaft zu sichern.

(Anmerkung der Redaktion "Berliner Blätter": Auch hier übersieht das BMG, daß die Psychotherapievereinbarungen, wie schon oben vermerkt, in je eigenen Übergangsregelungen die Fortführung des Delegationsverfahrens bei schon früher im Delegationsverfahren mitwirkenden Nicht-Psychologen ausdrücklich zulassen.)

* Auch ohne eine Approbation ist es den genannten Personen weiterhin möglich, ihre psychotherapeutische Tätigkeit auf der Basis einer eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis auszuüben. Da die Berufsbezeichnung ,,Psychotherapeut" nicht mehr geführt werden darf (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PsychThG) haben die Länder Alternativen entwickelt, die sowohl einen Hinweis auf den Heilpraktikerstatus als auch auf den psychotherapeutischen Tätigkeitsbereich erlauben. Eine Kostenerstattung seitens der GKV ist jedoch nicht mehr möglich, so daß nur noch eine private Liquidation in Frage kommt.

Es ist davon auszugehen, daß die Rechtsfrage der Verfassungsgemäßheit der Übergangsbestimmungen im Rahmen von verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen überprüft wird. Gegen die ablehnenden Entscheidungen der zuständigen Landesbehörden sind bereits einstweilige Anordnungsverfahren angestrengt worden.


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