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Dr. Tilmann Moser,
Psychoanalytiker, DGPT 24.11.2014

Meist bekommt man schon als Kind oder Jugendlicher die religiösen Grundwahrheiten eingeflößt. Zur abendländischen Wahrheit gehört(e) in beiden christlichen Religionsgemeinschaften, dass es Ketzer gibt, die den Namen Christ nicht mehr verdienen; dass sie deshalb bekämpft werden müssen, zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg, der auf den Sieg und die Auslöschung des gegnerischen Bekenntnisse ausgerichtet war.

Jahrhunderte oder Jahrtausende davor gab es bereits Religionen, die mit ihrem eigenen Glauben verbanden, dass er der einzig wahre sei, und alle Abweichler, Ungläubige, Zweifler, Wahrheitsverdreher, Verblendete, Unwürdige, Gotteslästerer, Böswillige, usw. entweder zu bekehren, auch zwangszubekehren, oder zu deportieren, zu bekriegen und zu vernichten seien.

Daran durfte nun selbst wieder, bei Todesstrafe oder Androhung des Paradiesverlusts, nicht gezweifelt werden, im Gegenteil: es galt, die Kampfeswut anzustacheln und zu missbrauchen,im Dienst der jeweiligen Religion oder der deren staatliche Träger. Mehr oder weniger fanatischer Glaube an die jeweils allein selig machende Lehre war durchaus willkommen. Diese Kombination von absoluter Wahrheit und ständig geschürtem Missions- oder Vernichtungswillen trug das Engagement der Kreuzzüge, für den kämpferischen Islam ist sie im Koran nachzulesen, die Heilsbotschaft auch des kriegerischen Begründers und Heerführers Mohammed, der neben vielen friedlichen Verkündigungen auch die des Eroberungs- und Vernichtungskrieg predigt.

Was derzeit mit dem religiöse gestützten Terror im Mittleren Ost geschieht, ist nur die Radikalisierung eines beliebig zu vertiefenden Feinbildes, der Andersgläubige, sogar innerhalb der moslemischen Gesamtglaubensgemeinschaft des Islams, auf die Ebene von Untermenschen herabdrückt, von „Schweinen“ und zu vernichtender Teufelsbrut. Es ist die Erbarmungslosigkeit des Feindbildes, aufgestachelt durch immer raffinierter werdende Propaganda und Werbung fürs gemeinschaftliche Morden oder Ausrotten ganzer Bevölkerungsgruppen, je grausamer desto besser.

Es ist dieser absolute genommene und verkündete „Wahrheitsbegriff“, der alle Hemmung löst und eine von Barbarei gestütztes gemeinsames Überich kreiert, das keinerlei Hemmungen mehr unterliegt: Lob, Triumph, das Gefühl der siegreichen Glaubenserfüllung inmitten des Blutrausches sind die Folge.

Es ist eine Eigentümlichkeit so vieler Religionen, dass sie die eigenen Wahrheit oder Ideologie absolut setzen, „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, weil Gott oder die Götter bei Nichtbefolgung der absoluten Treue selbst schwere Strafen oder die Vernichtung androhen. Schon im Alten Testament gibt Jahweh ganze Völkerschaften, die dem Landgewinn der Israelis im Weg stehen, der Ausrottung preis, weil sie als Heiden, Ungläubige oder Barbaren dem Erwählten Volk nicht weichen wollen.

Es könnte mit dem absoluten Narzissmus von Religionsgründern und späteren Religionsträgern oder -führern zusammen hängen, dass sie, neben der drohenden Selbstvergottung, auch die von ihnen begründete Religion vergöttlichen und Abweichung zum schwersten Verbrechen erklären, das auch unmenschliche Vernichtung geradezu fordert oder gebietet.

Dem muss ein ebenso tief sitzendes Glaubens- und Verehrungsbedürfnis so vieler unmündig gehaltener Menschen entgegen kommen, weil es Schutz, Geborgenheit, Orientierung, Selbstwertgefühl, Auserwähltheit und Grandiosität in der Zugehörigkeit verspricht. Das fanatischeWahrheitserleben scheint nach Oben keine Grenzen zu kennen, und wo es dazu noch diktatorisch vermittelt wird, droht absolute Gefahr. Und zuletzt bleibt als „Geschenk“ für die blindwütigen Anhänger, auch um immer neue anzulocken übrig: die feierliche Erlaubnis zu tmorden, zu quälen oder in Massen zu vernichten.

Dr. Tilmann Moser,
Psychoanalytiker, DGPT 24.11.2014
Aumattenweg 3
79117 Freiburg
Tel. 0761/60304

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