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Natürlich angstbefreit

Beschreibung: 9783867811620
208 Seiten, 19,90 € i

Unseren Körper spüren:
Ängste und Blockaden selbst dauerhaft auflösen

LUC NICON

Jeder verfügt über die natürliche Fähigkeit,
unerwünschte emotionale Reaktionen und Stress selbstständig zu verarbeiten –
ganz gleich, ob der Ursprung das traumatische Erlebnis eines Autounfalls
oder das plötzliche Ende einer Liebesbeziehung ist.
Manchmal jedoch findet diese natürliche Selbstregulierung nicht statt:
Ihr Mechanismus ist blockiert und die emotionale Verletzung
kann mit der Zeit sogar schlimmer werden.
Erlebt man den Ursprung einer emotionalen Blockade
jedoch auf Körperebene nach,
entwickelt man die Fähigkeit, sich von alten Mustern selbst zu befreien
und sie dauerhaft aufzulösen.
Luc Nicon beschreibt Schritt für Schritt,
wie man diese natürliche Fähigkeit für sich entdecken und bewusst einsetzen kann.
Er hat diese Technik unter dem Namen „sensorisches Nacherleben“ bekannt gemacht.
Dieses Buch ermöglicht, Nicons Forschungen
über die unseren Emotionen zugrunde liegenden Mechanismen im Detail kennenzulernen
und die Fähigkeit des „sensorischen Nacherlebens“ selbstständig anzuwenden.

 

Nachwort (Ludwig Janus)

Mit dem Erscheinen dieses Buches verbinden sich große Hoffnungen für die Verbreitung eines erstaunlichen Hilfsmittels zur Verarbeitung von  schwierigen und belastenden Gefühlen. Insbesondere angstbedingte Reaktionen wie Hemmungen,  Vermeidungen und irrationale Gefühle und Verhaltensweisen können mit dieser Methode nachhaltig aufgelöst werden, wie mittlerweile tausendfache Erfahrung gezeigt hat. In den üblichen Psychotherapien ist dies oft nicht möglich, so hilfreich  diese  sonst auch  für die Klärung von Lebensproblemen und bei der  Förderung der persönlichen Entwicklung sein können.

Die Methode des sensoriellen Nacherlebens stellt einen wirklichen Fortschritt bei der Auflösung  angstbedingter Schwierigkeiten dar, wie etwa von Blockierungen durch Ängste vor Dunkelheit, vor der Fahrt durch einen Tunnel, vor Hunden, vor Schmutz oder vor Kontrollverlust. Die praktischen Erfahrungen bei der Erforschung und Entwicklung dieser Methode, wie sie in dem Buch „Befreit von alten Mustern“ von Luc Nicon von 2007 geschildert wurden,  und die ausführlichen Theoriekapitel in diesem Buch führten zu dem Verständnis, dass diese Blockierungen in den meisten Fällen durch das Fortwirken  der leibnahen Reaktionsmuster auf früheste Notsituationen vor oder während der Geburt verursacht sind. Es kommt auf einer unbewussten Ebene gewissermaßen zu einer Art Kurzschluss zwischen einer frühen vorsprachlichen Notsituation  und einer aktuellen Lebenssituation. 

Dies Geschehen gewinnt seine besondere Dramatik daraus, dass es sich nicht nur um eine Notsituation, sondern um eine Überlebensnotsituation oder Nahtodsituaton gehandelt hat, wie dies Luc Nicon im Buch ausführlich erläutert hat.  Man kann hier auch von einem Zusammenbruch des Erlebens in einer frühen Gefährdungssituation sprechen, wie es im Feld der Pränatalen Psychologie in diesem Zusammenhang üblich ist und von der Psychoanalytikerin Renate Hochauf in ihrem Fallbericht im „Lehrbuch der Pränatalen Psychologie“, das 2014 im Heidelberger Mattes Verlag erschien, anschaulich geschildert wurde.
Dieser besondere  Kurzschluss kann, wie ich hier noch einmal in meinen Worten zusammenfassen möchte,  auf folgende Weise  aufgelöst werden: Durch die Vergegenwärtigung  der Blockierungssituation im unmittelbaren Erleben und dem darauf folgenden Aufmerksamkeitswechsel auf das körperliche Erleben werden genau die spezifischen sensorischen Elemente der frühen Notsituation aktiviert, die die Blockierung bedingt haben.  Weil dies (das körperliche Nacherleben im Tipi)  in einer Situation der Sicherheit erfolgt, können sich die aktivierten Elemente beruhigen. Diese Beruhigung hat eine Auflösung des genannten Kurzschlusses zur Folge. 

Die Einzelheiten der Methode sind mit großer Klarheit in diesem Buch dargestellt, eine Klarheit, die einer vieljährigen Erfahrung und deren Auswertung durch Luc Nicon zu verdanken ist. Er hat sie in sehr kreativer Weise aus seinen Beobachtungen bei den Beratungen von Studenten mit  Lernstörungen erarbeitet. Und es ist ein großes Verdienst von Monika Wilke, dass sie diesen großen Erfahrungs- und Wissensschatz  im deutschen Sprachraum durch ihre Ausbildungstätigkeit  und ihre Übersetzungen zugänglich gemacht hat.

Zum Verständnis der manchmal erstaunlichen Auflösungen von oft sehr störenden angstbedingten Blockierungen sollen folgende Überlegungen von mir  beitragen: Eine Besonderheit menschlicher Emotionalität besteht darin, dass wir vor und während der Geburt wesentliche emotionale Erfahrungen auf einer vorsprachlichen, körpernahen Ebene machen, die in der rechten Hirnhälfte  gespeichert sind. Dann geht  die Steuerung mit der Sprachbildung auf die linke Gehirnhälfte über. Besonders in Bezug auf traumatisch belastete Erfahrungen besteht von dort kein ausreichender Zugang zu den Gedächtnisspeichern in der rechten  Gehirnhälfte. Dadurch kann es durch bestimmte Aspekte in einer konkreten Situation zu fehlerhaften Aktivierungen kommen, die die Blockierungen bedingen. So kann das körpernahe Gedächtnis in der rechten  Gehirnhälfte einen konkreten Tunnel mit einer Noterfahrung im Tunnel des Geburtskanals assoziieren und dadurch die entsprechenden Körperreaktionen aktivieren. Durch die Methode des sensoriellen Nacherlebens wird die in der linken Gehirnhälfte bewusste Situation des Tunnels und der mit ihm verbundenen unangenehmen Gefühle in einer sehr eleganten und spezifischen Weise mit der in der rechten Gehirnhälfte im leibnahen Gedächtnis gespeicherten Notsituation bei der Geburt  in Verbindung gebracht, so dass sich  die traumatisch bedingten Kurzschlüsse auflösen können.

Meine Vermutung geht dahin, dass damit ein zentraler Wirkfaktor seelischer Regeneration identifiziert ist,  der auch in psychotherapeutischen Situationen wirksam ist. In sogenannten „guten Stunden“ oder “guten Momenten“, wenn sich es ein Symptoms oder einer emotionale Schwierigkeit auflöste,  kann es zu dieser konstruktiven Verbindung zwischen  der verbal dominierten linken Gehirnhälfte und den Speichern vorsprachlicher Erfahrungen in der rechten  Gehirnhälfte kommen, die eine nachträgliche Auflösung von solchen Kurzschlüssen oder Fehlfunktionen in der Zusammenarbeit der beiden Hirnhälften ermöglicht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Zusammenhänge für das Feld der Psychotherapie sei dies noch etwas erläutert. Luc Nicon hatte ja hierzu eine Befragung von Patienten aus psychoanalytischen Behandlungen nach den Bedingungen der Auflösung von Symptomen gemacht. Das Ergebnis war, wie im Buch auf S. 88 berichtet, verblüffend klar: „Das Verschwinden der emotionalen Störung ereignete sich zeitgleich mit einer sensoriellen Erregung, die sich innerhalb von einigen Sekunden, manchmal von ein oder zwei Minuten, durch unerwartete und verwirrende Körperempfindungen äußerte. Jeder der beteiligten Personen wies eindeutig dieses eine Ereignis als ausschlaggebend für das Auflösen ihrer vorherigen emotionalen Störung aus.“  Auf der gleichen Seite erläutert er dies noch an einem konkreten Beispiel. Aus seinen Erfahrungen mit dem sensoriellen Nacherleben konnte die Befragung so spezifisch gestalten, dass der genannte Zusammenhang überhaupt deutlich werden konnte.

Ich kann dies aus eigenen Beobachtungen nur bestätigen und halte dies für einen in systematischer Weise für das Verständnis psychotherapeutischer Wirkungen bedeutsamen Befund. Er erklärt zum Beispiel in einfacher Weise die oft beachtlichen Erfolge der  Verhaltenstherapie. Bei der Exposition wird der Klient einer für ihn emotional schwierigen Situation in der Weise  ausgesetzt, die es ihm unter günstigen Bedingungen erlaubt, entsprechende Körperempfindungen  zu registrieren und aufzulösen. Das Problem besteht darin, dass die Theorie der Verhaltenstherapie einen relativ geringen oder einen recht abstrakten Bezug zu der biographischen und erlebnismäßigen Wirklichkeit des Patienten hat. Darum sind die Erfolge auch wenig systematisch und eigentlich unverstanden. Das gleiche gilt für die Theorieebene der Psychoanalyse, die zwar den Patienten in eine Auseinandersetzung mit seinen Ängsten zu bringen sucht  und Vermeidungen bearbeitet, aber immer in Gefahr ist zu sehr auf einer symbolischen und deutenden Ebene zu bleiben. Darum sind auch hier die Erfolge wenig systematisch und in ihrer eigentlichen Dynamik unzureichend verstanden. Man könnte diese Überlegungen auch für andere therapeutische Settings fortführen, was jedoch den Rahmen hier überschreiten würde.

Doch können die durch das sensorielle Nacherleben aufgedeckten Zusammenhänge auch für ganz praktische Lebenssituationen gelten, wenn man etwa  eine unangenehme Spannung nicht vermeidet, sondern unter günstigen Rahmenbedingungen die korrespondierenden Körperempfindungen aushalten kann oder auch muss, wodurch sich eine Angst oder Blockierung auflösen kann. Vielleicht können ja viele aus ihrem Leben hier Erfahrungen beisteuern.

Eine noch weitere Bedeutung gewinnen die Beobachtungen Luc Nicon über die besondere Wirkung von bildender Kunst und insbesondere vom Kino. Dazu schreibt  er auf Seite 27: „Die Kunst (Gemälde, Skulpturen, Bühnenstücke) insbesondere das Kino  (bestimmte Szenen, Horror- oder Fantasy-Filme) und generell Darstellungen unserer Realität bringen uns in Kontakt mit unseren Emotionen. Diese Resonanz ist manchmal angenehm, manchmal auch deutlich unangenehm. Wenn wir beispielsweise bestimmte Gemälde anschauen, etwa von Francis Bacon oder Edward Munch, und uns dadurch bedrückt fühlen, dann ist dies eine hervorragende Gelegenheit, mit unseren Körperempfindungen einen Schritt weiter zu gehen. Wir können der emotionalen Störung, die sich gerade zeigt, begegnen.“  Das hat aber noch die weitere Bedeutung, dass Kunst mit einer solchen besonderen Wirkung geradezu die Funktion hat, diese Resonanzen zu unseren primären Erfahrungen vor oder während der Geburt herzustellen, wie dies der Psychoanalytiker Otto Rank schon in seinem Buch „Der Künstler“ im Kapitel „Mikrokosmos und Makrokosmos“ ausführlich erläutert hat.

Hieraus ergeben sich für das Verständnis und die Wirkung von Kunst sehr weite Perspektiven. So kann man zum Beispiel  die Wirkung der Katharsis, die die ganze Kunst- und Literaturgeschichte beschäftigt hat,  in dem erweiterten Sinne verstehen, dass es nicht nur  um das Erleben  von Furcht und Mitleid geht,  sondern elementar  im ganzheitlichen Erlebnisvorgang auch um das Nach- erleben der korrespondierenden Körperempfindungen und dass das gerade die erleichternde Wirkung kathartischen Erlebens ist. Diese wenigen Andeutungen sollten Hinweise auf das beträchtliche Potenzial der Erfahrungen mit dem sensoriellen Nacherleben für ein Verständnis der kulturellen Gestaltungen und Entwicklungen sein.

Insgesamt kann ich auf dem Hintergrund meiner jahrzehntlangen psychotherapeutischen Erfahrung und meiner eigenen Praxis als Tipi-Coach sagen, dass die Methode des sensoriellen Nacherlebens ein erstaunliches Potenzial  zur Auflösung  von schwierigen emotionalen Blockierungen und ebenso für das Verständnis bedeutsamer Zusammenhänge in unserem Seelenleben besitzt. In diesem Sinne wünsche ich dem Buch eine weite Verbreitung  in der praktischen Anwendung, aber ebenso wünsche ich ihm auch das intensive Interesse der Fachleute in den verschiedenen Psychotherapien und den Kulturwissenschaften.

Ludwig Janus, Dossenheim im Mai  2015

 

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