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Die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie übernehmen dankend 
aus den Internetseiten des DPTV:


 

PsychotherapeutenJOURNAL

Deutscher Psychotherapeutenverband (DPTV) e.V.

-Berufsverband Psychologischer Psychotherapeuten-


LOBBY  - TAGESNACHRICHTEN

06.04.2000

Deutsche Gesellschaft für Kassenarztrecht diskutiert psychotherapeutische Versorgung nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes -

Zusammenfassender Bericht

(dptv) Das erste diesjährige Symposium der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V, das am 4. April 2000 in Berlin im Kaiserin-Friedrich-Haus stattfand, stand unter dem Motto:

 

"Psychotherapeutische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes".

 

Die Leitung hatte der Präsident des Vertragsarztsenats des Bundessozialgerichts, Dr. Klaus Engelmann, übernommen. Anwesend waren zahlreiche Sozialrichter, darunter Vertreter der Landessozialgerichte Berlin, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern sowie viele Justitiare der Kassenärztlichen Vereinigungen und im Medizin- und Sozialrecht ausgewiesene Anwälte, viele davon im Anwaltsnetz des DPTV. Vertreten war auch die KBV-Spitze mit dem 1. Vorsitzenden Dr. Richter-Reichhelm und dem Hauptgeschäftsführer Dr. Hess sowie dem Psychotherapie-Referenten Dr. Dahm. Für die psychotherapeutische Versorgung wichtige Vertreter der Krankenkassen wie Dr. Lubecki und Herr von Stackelberg vom AOK Bundesverband, Herr Fischer vom VDAK sowie weitere Vertreter der Ersatzkassen und des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen hatten ebenfalls am Symposium teilgenommen.

Das vielbeachtete Eröffnungsreferat hielt der Präsident des DPTV, Dipl.-Psych. Hans-Joachim Schwarz, der das erste Umsetzungsjahr des Psychotherapeutengesetzes zum Anlaß für eine kritische Bestandsaufnahme nahm. Die mit der Verabschiedung des Gesetzes verknüpften hohen Erwartungen seien zunächst enttäuscht worden und aus der angestrebten Neuordnung resultiere neue Unordnung, die Schwarz mit berufs- und sozialrechtlichen Schwachstellen der gesetzlichen Regelungen in Verbindung brachte. Ein überholter Heilkundebegriff, fragwürdige Entscheidungen des Wissenschaftlichen Beirats und ein unzureichender Titelschutz erschwerten Innovationen in der psychotherapeutischen Versorgung und stünden einer präventiven Umorientierung des Gesundheitssystems im Wege. Sozialrechtlich sei der jetzt gesetzlich verankerte Leistungsanspruch der GKV-Versicherten auf eine psychotherapeutische Behandlung in vielen Regionen der Bundesrepublik durch eine verfrüht greifende Bedarfsplanung gefährdet und die unzureichenden Mitbestimmungsmöglichkeiten der Psychotherapeuten in der sozialrechtlichen Selbstverwaltung schränke die Freiheit der Berufsausübung unverhältnismäßig ein und verhindere, dass die heilberuflichen Kompetenzen der neuen Heilberufe voll zum Tragen kommen könnten. Auf mittlere Sicht zeigte sich der Präsident des DPTV dennoch zuversichtlich, dass die mit der Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes verknüpfte Chance, die psychosozialen Dimensionen von Gesundheit und Krankheit in der Gesundheitsversorgung stärker zur Geltung zu bringen, genutzt werden können. Allerdings seien dazu Gesetzesänderungen erforderlich, die insbesondere eine selbständigere sozialrechtliche Interessenvertretung der Psychotherapeuten ermöglich müssten.

In der anschliessenden Diskussion bestätigte der Hauptgeschäftsführer der KBV , Dr. Hess, die Einschätzung von Schwarz, dass die Integration der Psychotherapeuten in die Kassenärztlichen Vereinigungen durch die Finanzmisere des Psychotherapie-Budgets gefährdet sei. Er machte dafür die Gesundheitspolitik verantwortlich, die bisher verhindert habe, dass die Krankenkassen die Vergütungsanteile der Psychotherapeuten angemessen erhöhen. Die weitere Diskussion konzentrierte sich dann auf das pro und contra der Forderung von Schwarz, die Aufgaben des Wissenschaftlichen Beirats einer zukünftigen Bundespsychotherapeutenkammer zu übertragen, die eine bessere Gewähr dafür sei, dass Entscheidungen über die wissenschaftliche Anerkennung eines Psychotherapieverfahrens auch Akzeptanz bei der Mehrheit der Berufsangehörigen fände.

Der Sozialrichter Wolfgang Engelhard aus Hamburg referierte anschliessend über Probleme des Zugangs zum System der gesetzlichen Krankenversicherung. Seine Hauptthese, dass für eine bedarfsunabhängige Zulassung mindestens der Nachweis einer halb - bis ganzjährigen Tätigkeit zu Lasten der GKV im Drei-Jahreszeitfenster erforderlich sei, die hinsichtlich ihres finanziellen Umfangs 1/5 bis 1/4 der Gesamteinkünfte in diesem Zeitraum betragen müsse, wurde in der anschliessenden Diskussion äußerst kritisch hinterfragt. Die Mehrheit der Diskussionsbeiträge hob auf die Beliebigkeit der von Engelhard vorgeschlagenen Kriterien ab und zweifelte an, inwiefern dies gesetzeskonform sein könne.                               

Der Justitiar Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dr. Gernot Steinhilper ging dann in seinem Vortrag auf die Konsequenzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen in der Vergangenheit ein und referierte im Anschluß die strukturellen Defizite des Psychotherapie-Budgets im vergangenen Jahr und die Entscheidung des Bewertungsaussschusses zur angemessenen Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen.

Der Präsident des Vertragsarztsenats des Bundessozialgerichts, Dr. Engelmann, nahm kurz zu der aus den Reihen der Kassenärztlichen Vereinigungen geäußerten Behauptung Stellung, das BSG habe sich in seinem Urteil "verrechnet". Er stellte klar, dass es dem Gericht nicht um "Berechnungen" gegangen sei, insofern könne es sich auch nicht "verrechnet" haben. Stattdessen sei es dem BSG um Rechtsgrundsätze gegangen, die es in seinem Urteil festgelegt habe. Um sich nicht den Vorwurf der Befangenheit zuzuziehen, enthielt er sich weiteren Äußerungen in der Diskussion, die sich dann im wesentlichen auf die Nachschusspflicht der Krankenkassen im Jahr 1999 und auf die Entscheidung des Bewertungsausschusses konzentrierte. Von Seiten der Kassenvertreter wurde eine einseitige Nachschusspflicht für das Jahr 1999 bestritten. Die Entscheidung des Bewertungsausschusses stieß auf heftige Kritik vieler Zuhörer, die hierin einen Verstoß gegen das BSG-Urteil und der Vorgabe des Gesetzgebers sahen, der die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet habe, eine angemessene Vergütung der hauptberuflichen Psychotherapeuten zu gewährleisten.

In seinem Abschlussvortrag ging Professor Dr. Ingwer Ebsen, Lehrstuhlinhaber für Sozialrecht der Universität Frankfurt, auf die Neuordnung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung und das Leistungsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Vor dem Hintergrund der aktuellen rechtswissenschaftlichen Diskussion über die verfassungsrechtliche Legitimität des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen, rechtsverbindliche Entscheidungen treffen zu können, die den Leistungsanspruch der GKV-Versicherten beschränken, arbeitete er die besondere Problematik der Psychotherapie-Richtlinien heraus. Nach seiner Auffassung könne es nicht angehen, dass bei den bereits anerkannten Richtlinienverfahren mit anderen Maßstäben gemessen werde als bei Neuanträgen. Wenn für die analytische Psychotherapie, wie Grawe gezeigt habe, keine hinreichenden Wirksamkeitsnachweise vorlägen, dann müsse ihr entweder die Anerkennung entzogen werden oder darauf verzichtet werden, dass andere Therapieverfahren strenger geprüft werden. Er forderte deshalb die volle gerichtliche Überprüfbarkeit der Psychotherapie-Richtlinien. Ein Sozialgericht könne nach seiner Auffassung durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass auch andere Psychotherapieverfahren als die bisher vom Bundesausschuss anerkannten zuzulassen sind, wenn die psychologische Forschung Ergebnisse gezeitigt habe, die mit den Wirksamkeitsnachweisen der zugelassenen Verfahren vergleichbar sind. Diese Schlussfolgerung fand in der anschliessenden Diskussion allgemeine Zustimmung.

Der Gesamtverlauf des Symposiums machte deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den Folgen des Psychotherapeutengesetzes sozialrechtliche Fragestellungen aufwirft, die für die Positionierung der Psychotherapeuten im Gesundheitssystem hochbedeutsam sind, andererseits aber erst im Verlauf einer längeren Rechtsentwicklung endgültig geklärt sein werden. Der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht und dem hochkompetenten Moderator des Symposiums, Herrn Dr. Engelmann, ist deshalb dafür zu danken, dass sie ein stimulierendes Forum zur perspektivischen Abklärung der zukünftigen Rechtsentwicklung bereitgestellt hat.

 

Das Psychotherapeutengesetz aus Sicht der psychologischen Psychotherapeuten

   

Vortragsthesen anlässlich des Symposiums der
Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht am 04. April 2000 in Berlin:

 “Psychotherapeutische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes“

 Hans-Joachim Schwarz

Mit der Abschaffung des Arztmonopols im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung und der Verankerung eines sozialrechtlichen Leistungsanspruchs auf eine psychotherapeutische Behandlung für die Versicherten der GKV sowie der Etablierung einer staatlich geregelten Ausbildung der Psychotherapeuten auf hohem Qualifikationsniveau sind die Eckpunkte des Psychotherapeutengesetzes markiert, die ohne Einschränkung als bedeutsamer Schritt auf dem Weg zu einer zeitgemäßen, alle für Gesundheit und Krankheit relevanten wissenschaftlichen und praktischen Ressourcen nutzende Reform des Gesundheitssystems bezeichnet werden können. Dieser gesellschafts- und gesundheitspolitisch bedeutsame Fortschritt droht allerdings gegenwärtig durch die im Verlauf des ersten Umsetzungsjahres des PsychThG zu Tage tretenden handwerklichen Fehler und konzeptionellen Mängel des Gesetzes in den Hintergrund zu geraten. Da die aktuellen Probleme bei der sozialrechtlichen Übergangsregelung und der Finanzierung der psychotherapeutischen Leistungen von anderen Referenten abgehandelt werden, beschränkt sich der Beitrag auf berufs- und sozialrechtliche Desiderata, die für die beruflichen Entwicklungspotentiale der Psychotherapeuten von übergreifender Bedeutung sind.

  I.                    Berufsrechtliche Desiderata

  1.                  Umfassender Heilkundebegriff

In der Legaldefinition der psychotherapeutischen Berufsausübung in § 1 Abs. 3 PsychThG wird heilberufliche Tätigkeit auf seine kurative Funktion beschränkt. Die darin enthaltene Beschränkung und Benachteiligung gegenüber anderen akademischen Heilberufen (mindestens präventive Tätigkeiten werden dabei ausgespart) steht im Widerspruch zu dem beruflichen Selbstverständnis und den fachlichen Kompetenzen der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und behindert ihre gleichrangige Positionierung bei einer präventiven Neuorientierung der Gesundheitsversorgung.

2.                  Schutz der Tätigkeitsbezeichnung Psychotherapie

Im Alltagsverständnis wird zwischen der Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung (Psychotherapeut vs. Psychotherapie) nicht differenziert. Heilkundliche Psychotherapie kann trotz sehr erheblicher Qualifikationsunterschiede sowohl auf der Grundlage des PsychThG als auch nach dem HPG ausgeübt werden. Wenn die mit dem PsychThG intendierte Qualitätssicherung der psychotherapeutischen Berufsausübung in der Praxis greifen soll, dann sollte auch die Tätigkeitsbezeichnung unter den Titelschutz gem. § 1 Abs. 2 PsychThG subsumiert werden.

3.                  Anerkennung von Psychotherapieverfahren durch eine Bundespsychotherapeutenkammer

Der gegenwärtige Entwicklungsstand der Psychotherapie lässt derzeit noch keinen allgemeinverbindlichen Konsens über ein einheitliches wissenschaftliches Paradigma zu. Gleichzeitig ist gem. § 1 Abs. 3 PsychThG die psychotherapeutische Berufsausübung an die Anwendung wissenschaftlich anerkannter Verfahren gebunden. Die Entscheidung darüber, welche Verfahren als wissenschaftlich anerkannt gelten können, hat der Gesetzgeber gem. § 11 PsychThG einem Wissenschaftlichen Beirat übertragen, an dessen Entscheidungsfindung die Berufsangehörigen allerdings nicht beteiligt sind. Da die Entscheidungen des Wissenschaftlichen Beirats erhebliche Auswirkungen für die Freiheit der Berufsausübung haben können, ist deren verfassungsrechtliche Legitimität umso zweifelhafter, solange dabei Kriterien der Praxisbewährung und Praxisakzeptanz keine Berücksichtigung finden. Um eine grundrechtsschonende Entscheidungsfindung institutionell besser gewährleisten zu können, sollte die Entscheidungskompetenz des Wissenschaftlichen Beirats auf eine Bundespsychotherapeutenkammer übertragen werden, deren demokratische Legitimation durch eine angemessene Repräsentanz aller Berufsangehörigen besser gesichert ist.

  II.                   Sozialrechtliche Desiderata

  1.                  Fachlich fundierte Bedarfsplanung anstelle einer administrativen Verteilungsplanung

 Der Bundesausschuss der Ärzte und der Krankenkassen hat – ohne institutionelle Beteiligung der Psychotherapeuten - bei der Festlegung der Bedarfskriterien für die psychotherapeutische Versorgung die bisherige Methodologie der Bedarfsplanung unverändert übernommen. Anders als bei der Mehrzahl der übrigen Arztgruppen, die sich über lange Jahre ohne Zulassungsbeschränkungen niederlassen konnten und sich damit besser an bedarfsabhängige Nachfragesituationen adaptieren konnten, führt dies im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung zu gravierenden Verzerrungen in der Versorgungsdichte zwischen großstädtischen Ballungsgebieten und weniger dicht besiedelten Regionen und bei der Versorgung von Erwachsenen im Vergleich zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Anstelle einer bedarfsorientierten Zulassungssteuerung werden damit Fehlallokationen von Behandlungsressourcen auf Dauer fortgeschrieben. Im Interesse der Bevölkerung an einer effektiven psychotherapeutischen Versorgung ist die Ablösung einer administrativ orientierten Verteilungsplanung zugunsten einer am fachlich definierten Bedarf orientierten Zulassungssteuerung zu fordern. Dabei ist die Mitbestimmung der davon unmittelbar betroffenen Berufsgruppen institutionell zu gewährleisten.

  2.                  Optimierung der kollektiven Mitbestimmung der Psychotherapeuten in der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen und der Interessenvertretung der Psychotherapeuten in den Kassenärztlichen Vereinigungen

Im Psychotherapeutengesetz ist eine kollektive Mitbestimmung der Psychotherapeuten in der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen nur im Falle der Psychotherapie-Richtlinien gesetzlich vorgesehen. Andere rechtliche Rahmenvorgaben wie der Bundesmantelvertrag oder sonstige Verträge zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen wie z.B. die Psychotherapievereinbarungen sowie Entscheidungen des Bewertungsausschusses zur Definition und Bewertung psychotherapeutischer Leistungen und zu deren Vergütung sowie entsprechende Verträge auf der Länderebene, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die sozialrechtlichen Tätigkeitsbedingungen der Psychotherapeuten auswirken, ermöglichen nur dann (rechtsunverbindliche) Voten der Psychotherapeuten, wenn sie von den Vorständen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bzw. der Kassenärztlichen Vereinigungen den Beratenden Fachausschüssen für Psychotherapie zur Stellungnahme zugeleitet wurden. Zahlreiche Ereignisse im Verlauf des ersten Integrationsjahres machen deutlich, dass die ökonomische Interessenlage der Mehrheit der Ärzte wie auch der Krankenkassen unter den Bedingungen einer gesetzlich budgetierten Gesamtvergütung eine effektive Interessenvertretung der Psychotherapeuten sowie einen angemessenen Minderheitenschutz verhindern. Die unabhängig von dem tatsächlichen Mitgliederanteil auf 10 % festgelegte Beteiligung der Psychotherapeuten an den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen erscheint zu geringfügig, um hier für die Zukunft verbesserte Mitbestimmungsmöglichkeiten erwarten zu lassen. Eine partizipationsrechtlich zufriedenstellende Regelung dieser strukturell angelegten Interessenkonflikte macht daher zur Sicherung einer effektiven Mitbestimmung der Psychotherapeuten bei der Regelung ihrer sozialrechtlichen Tätigkeitsbelange weitergehende Organisationsreformen der Kassenärztlichen Vereinigungen wie auch der gemeinsamen Selbstverwaltung erforderlich.

  3.                  Sachgerechte Regelung des Tätigkeitsumfangs und der beruflichen Spielräume der Psychotherapeuten

Die psychotherapeutische Berufsausübung ist auch sozialrechtlich nach einem engen kurativen Verständnis der Psychotherapie modelliert. Präventive Maßnahmen wie z.B. die Früherkennung von Krankheiten, die Einbeziehung von therapeutischen Hilfspersonen bei der Realisierung von Therapieplänen, wie sie z.B. kostensparend im Rahmen von Verhaltenstherapien fachlich indiziert möglich wären, sind ebenso ausgeschlossen wie Krankschreibungen und Krankenhauseinweisungen, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz ebenso gut von Psychotherapeuten wie von Ärzten vorgenommen werden könnten. Damit könnte eine kostentreibende Mehrfachdiagnostik vermieden und für die Patienten belastende Verzögerungen ausgeschlossen werden. Auch der im Bundesmantelvertrag festgelegte generelle Ausschluß von Vertretungsmöglichkeiten für Psychotherapeuten ist eine fachlich nicht begründbare Einschränkung in der Freiheit ihrer Berufsausübung. Um die Entwicklungspotentiale der Psychotherapie in der Gesundheitsversorgung im Interesse der GKV-Versicherten und zur Erschliessung von Rationalisierungspotentialen nutzen zu können, sind daher in Übereinstimmung mit der fachlichen Kompetenz der Psychotherapeuten sachgerechte Modifikationen erforderlich.

 


Anmerkung der Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie: Rechtsanwalt Gleiniger, Berlin, berichtete auf dieser Veranstaltung über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16.3.2000, das sich u.a. mit Problemen der Approbation von bisher tätigen Psychotherapeuten ohne Psychologiediplom befasst und indirekt auch die Zeitfensterfrage (Vertrauensschutz im Sozialrecht) behandelt.

Mehrere Psychotherapeutenverbände erklärten inzwischen ihre Verwunderung, daß sie zu dieser Veranstaltung nicht eingeladen worden waren.


 

17.4.2000: Bundessozialgericht (BSG) hält sich zum Beschluss des Bewertungsausschusses bedeckt

Bericht vom Symposium der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e. V.

Vorsitzender des VI. Senats: "Lesen Sie doch unsere Urteile ...!"

Gefragt zum allseits bekannten Beschluss des Bewertungsausschusses auf dem Symposion der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e. V." am 4. April 2000 in Berlin antwortete der Vorsitzende des VI. Senats des Bundessozialgerichts Engelmann sibyllinisch: "Lesen Sie die Urteile, die sind doch völlig klar!" - und dabei strahlte der Vorsitzende über das ganze Gesicht, und ergänzte "... aber wir werden wohl, wie wir sehen, doch wieder damit (mit den Fragen der Bewertung psychotherapeutischer Leistungen, der Unterzeichner) zu tun bekommen ...".

Eingeleitet wurde der Tag durch ein Referat von Herrn Schwarz (DPTV), das etwas zu langatmig geraten war und manchmal Pointierungen vermissen ließ. Danach schloss sich ein Referat von Engelhard, Richter am SG Hamburg, an, das im Wesentlichen die aktuelle Rechtslage und seine eigenen Meinungen zum "Zeitfenster" darstellte. Eindeutige Meinung fast aller an diesem Symposion maßgeblich Beteiligten war indessen, dass Art. 10 PsychThG für Erstatter nicht anzuwenden sei, sie also keinen vergleichbaren Rechtsstatus aufzuweisen hätten, solange ihr Verfahren auf Zulassung laufe, wie bei den Delegationspsychotherapeuten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 22. Dezember).

Engelmann erklärte, dass bislang noch kein Revisionsverfahren wegen des Zeitfensters beim BSG anhängig sei, so dass er auch irgendwelche Entscheidungstermine nicht bekanntgeben könne.

Es schloss sich dann ein Vortrag von Dr. Steinhilper, Justiziar der KV Westfalen-Lippe an, der vehement den Beschluss des Bewertungsausschusses verteidigte und die Gegen-Rechnung der KVen aufmachte. Rhetorisch war Steinhilper durchaus auf der Höhe, inhaltlich konnte man weniger mit ihm einig gehen. Er gab auch zu, dass das BSG bei seinen Urteilen "keinen Rechenfehler" begangen habe, aber von "falschen Voraussetzungen" ausgegangen sei. Die Mitglieder des VI. Senats nahmen seine Interpretation ihrer Urteile schweigend zur Kenntnis, aber mir (!) schien, dass sie wenig mit den Vorgaben des Bewertungsausschusses und der Ansicht von Steinhilper übereinstimmten ...

Der Schlussvortrag von Prof. Ebsen widmete sich der Frage, ob insbesondere die Psychotherapie-Richtlinien im Hinblick auf die zugelassenen Verfahren (vgl. § 135 SGB V. und § 11 PsychThG) überhaupt verfassungsrechtlich und europarechtlich zu halten seien - auch im Hinblick auf die Psychoanalyse (unter Berufung auf Grawe et. al. ...). 

(Gerlach)

 

 


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