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Die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie danken Stefan Etgeton, dass er seine sehr differenzierten und gesundheitspolitisch weiterführenden Gedanken hier zur Veröffentlichung frei gegeben hat.


 Globalbudget und ökonomische Verantwortung im Gesundheitswesen

DR. STEFAN ETGETON, BERLIN

Und als das Brot gebacken war, 
lag das Kind auf der Totenbahr !

Gustav Mahler, Das Irdische Leben

Die Diskussion um die Budgetierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Debatte zur Reform des Gesundheitswesens dominiert und andere Reformprojekte fast völlig in den Hintergrund treten lassen. Während etliche dieser Projekte nun umgesetzt werden, ist das Vorhaben, die sektoral abgegrenzten Budgets durch ein zumindest durchlässigeres Globalbudget zu ersetzen, am Widerstand gerade jener gescheitert, die nicht müde werden, die fatalen Folgen jener strikt sektoralen Ausgabenbegrenzung anzuprangern. Die Verbandsvertreter der Ärztinnen und Ärzte haben mit dem Ziel, jegliche Budgetierung zu verhindern, allzu lange eine Alles – oder – Nichts - Strategie verfolgt und sich der konstruktiven Diskussion um die Gestaltung eines sektorübergreifenden und in sich durchlässigeren Budgets verweigert. Jetzt haben praktisch alle verloren: die Koalition ist mit ihrer Idee gescheitert, die Ärztinnen und Ärzte plagt weiterhin das starre Sektoralbudget und die Patientinnen und Patienten werden auch künftig mit der Angst vor der medizinischen Herbstdepression leben müssen.

Im Verlauf der Diskussion wurden wahre Horrorszenarien ausgepinselt, insbesondere im Blick auf die Versorgung von chronisch kranken oder alten Menschen; AIDS ist dabei als Beispiel stets gern herangezogen worden. Krankheiten, hieß es, richteten sich nicht nach Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung; und überhaupt müsse sich die Gesellschaft und jeder einzelne darüber klar werden, was ihr und ihm die eigene Gesundheit „wert" sei. Die Funktionäre der Heilberufe setzen offenbar darauf, dass in Deutschland Gesundheit als einer der höchsten Werte gilt, für den viele hohe Opfer zu bringen bereit sind. Ob indes Versicherte, Patientinnen und Patienten weiterhin glauben, dass die Gesundheit zunehme, je emsiger der medizinische Betrieb1, je höher der pharmazeutische Aufwand2 und je häufiger der Einsatz diagnostischer Hochtechnologie3 sei, mag bezweifelt werden. Inzwischen sind doch viele auch in ihrer Rolle als Patient „mündiger", d.h. kritischer gegenüber einer Medizin geworden, die einfach behauptet, sie wisse schon, was gut für uns sei. Exzellent vorbereitet und überaus gelassen konnten in dieser Debatte die Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung vorrechnen, dass ein großer Teil der Kosten im Gesundheitswesen angebotsinduziert4 und eine positive Relation zwischen abgerechneter Leistung und gesundheitlichem Wohlbefinden keineswegs zwangsläufig ist ‑ manchmal sogar das Gegenteil5. Je weniger die Argumente der Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern stichhielten, deren genuiner Auftrag doch die Qualitätssicherung und dementsprechende Ressourcenverteilung ist, desto aufgeplusterter wurden ihre Drohgebärden.

Mit der ja keineswegs neuen Diskussion über eine Budgetierung im Gesundheitswesen und dem politischen Bemühen um Stabilität der Beitragssätze ist in der Tat die Frage verbunden, welchen Anteil am allgemeinen Wohlstand diese Gesellschaft für ein solidarisches System der gesundheitlichen Risikovorsorge einzusetzen bereit ist. In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung auf ein bestimmtes - allerdings nie konkret definiertes - Grundniveau herunterzuschrauben und den Rest der privaten Vorsorge zu überlassen. Der Begriff der „Eigenverantwortung" ist im Zuge dieser neoliberalen Debatte am Ende vollends vor die Hunde gekommen. Die andere Seite behauptete stets, übrigens unterstützt von den Krankenkassen, dass es „Wirtschaftlichkeitsreserven" in dem 250 Milliarden schweren System gebe, die es nur zu heben und aufzulösen gelte, um die notwendige Qualitätsentwicklung ohne Erhöhung der Beiträge bewältigen zu können. Wir haben es daher mit einer Debatte zu tun, in der das Gesundheitswesen vorrangig, mehr oder weniger differenziert, als volkswirtschaftlicher Faktor betrachtet wird. Viele im Gesundheits-Bereich Tätige und viele Betroffene halten dies für eine Engführung, und das trifft sicher zu. Aber wegschieben lässt sich die Frage trotzdem nicht.

Gegenüber der ökonomischen Problematik des Gesundheitswesens gibt es zwei weit verbreitete Haltungen: Ignoranz oder Zynismus. Die einen bestreiten schlicht, dass man Gesundheit ökonomisch diskutieren dürfe. Zwar mutet das Tremolo moralischer Entrüstung über ökonomische, insbesondere volkswirtschaftliche Fragen an die gesundheitliche Versorgung scheinheilig an, wenn es ausgerechnet von jenen vorgetragen wird, die in diesem System nach einer eigenen, wenn auch eher betriebswirtschaftlichen Ökonomie durchaus gewinnorientiert handeln6. Dennoch richtet sich die Epidemiologie bekanntlich nicht nach politisch vorgegebenen Ausgabegrenzen, sehr wohl aber nach sozialen, daher politisch beeinflussbaren Faktoren. Wenn wir über die Ursachen von Krankheit reden, lässt sich die sozial ungleiche Verteilung von Gesundheitschancen nicht ignorieren. Gesundheitsförderung hat daher die Aufgabe, gesellschaftlich bedingte Gesundheitsrisiken soweit wie möglich zu minimieren. Wir haben es dann mit Themen wie Arbeit, Armut; Ausgrenzung zu tun, befinden uns also längst auf einem Feld eben auch ökonomischer Debatten. Wer könnte bestreiten, dass das deutsche Gesundheitswesen, in dem jährlich eine halbe Billion Mark umgesetzt wird, davon mittlerweile 260 Milliarden aus Versichertenbeiträgen, ein volkswirtschaftlicher Faktor ersten Ranges ist? Die finanzielle Belastung eines der wesentlichen gesundheitlichen Faktoren, nämlich der Erwerbsarbeit, hängt umgekehrt unmittelbar mit dem Ressourcenaufkommen des medizinischen Versorgungssystems zusammen. Wer daher am Solidarcharakter der gesetzlichen Krankenversicherung festhalten will, kann der Frage nach der Ökonomie des Gesundheitswesens nicht ausweichen, ohne unglaubwürdig zu werden.

1Die in Deutschland niedergelassenen ÄrztInnen stellen pro Jahr 450 Millionen Einzelabrechnungen. Kontrolle ist hier praktisch unmöglich.

2Etwa 50 % aller Ausgaben für Migränemittel (1997: 118,3 Millionen DM) sind nach Einschätzung von Experten unsinnig, ja schädlich. Ähnliches dürfte für den 1,62 Milliarden schweren Markt der Psychopharmaka gelten. 

3Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen stellte schon 1996 fest, dass jede dritte Röntgenuntersuchung überflüssig ist. Bekanntlich stehen allein in Bayern mehr Kernspintomografen als in ganz Italien; und entsprechend ist die Untersuchungsdichte. In Deutschland werden pro Jahr 450.000, d.h. etwa fünfmal mehr Herzkatheder-Untersuchungen vorgenommen als in anderen europäischen Ländern. Für all das gibt es keinerlei methodische Evaluation.

4Seit 1960 hat sich die Zahl praktizierender ÄrztInnen in den alten Bundesländern verdreifacht. Bei den Psychopharmaka lässt sich feststellen, dass 50 % der Gesamtmenge von nur 15 % der zuständigen ÄrztInnen verschrieben werden.

5Knapp die Hälfte, 22.000 der insgesamt rund 45.000 auf dem deutschen Arzneimittelmarkt verfügbaren Medikamente haben das seit 20 Jahren vorgeschriebene Zulassungsverfahren nicht durchlaufen.

6Es gibt Untersuchungen, wonach jede zweite Kaiserschnittentbindung unnötig und medizinisch nicht zu rechtfertigen ist. Im Unterschied zu einer Spontangeburt (DM 2.300) liegt jedoch die Pauschale für einen Kaiserschnitt mehr als doppelt so hoch (DM 5.600). Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

 

Die andere Haltung akzeptiert, dass man um diese Frage nicht umhin kommt, findet jedoch selbst weder triftige Qualitätskriterien noch Instrumente einer sachgerechten Ressourcensteuerung und begnügt sich daher mit der Tatsache, dass eben in jeder Gesellschaft Gesundheit ungleich verteilt wird. Die bohrend gestellte Frage, was dem einzelnen die eigene Gesundheit „wert" sei, hat insgeheim das Solidarprinzip schon preisgegeben und behandelt die Patientinnen und Patienten bereits als das, was sie nach der neoliberalen Theorie ohnehin nur sind: Kunden. Viele Probleme im bestehenden Gesundheitswesen erwachsen daraus, dass sich darin zwei ökonomische Systeme mit gänzlich unterschiedlicher Logik überschneiden: nämlich die Solidargemeinschaft der Versicherten, in der die Starken für die Schwachen, die Wohlhabenden für die Ärmeren und die Gesunden für die Kranken einstehen, auf der einen und die betriebwirtschaftliche Logik der Marktgesetze auf der anderen Seite. Es gibt keinen Akteur im Gesundheitswesen, weder Ärzte noch Patienten, weder Pharmaindustrie noch Krankenkassen, weder Apotheken noch Pflegedienste, bei denen sich dieser Widerstreit nicht in spezifischer Weise niederschlüge. Jeder Akteur ist in sich zerrissen zwischen widerstrebenden Ansprüchen und Notwendigkeiten. Der Zynismus nun ist zwar zu realistisch, um auf das Sauerbruchschen Pathos der Heilberufsfunktionäre - an das diese vermutlich selbst kaum glauben - hereinzufallen; er dispensiert aber andererseits die eigenen Standesorganisationen von ihrer Pflicht, der wuchernden Irrationalität dieses zumindest derzeit unauflösbaren Systemwiderspruchs rational entgegenzuwirken. Wer wenn nicht die anerkannten Organe der Ärzteschaft selbst soll denn nach sachgerechten Kriterien Verteilungs­ und Interessenkonflikte zwischen den Gruppen und innerhalb der Disziplinen bearbeiten und ausgleichen? Die Möglichkeit eines vernünftigen Interessenausgleichs auf dem Wege der Selbstverwaltung schlichtweg zu bestreiten, ist wohlfeil angesichts verbreiteter Systemverdrossenheit im Gesundheitswesen. Mit der Hoffnung auf die regelnde Kraft der Vernunft, die von Partikularinteressen weitgehend unabhängige Aufrichtigkeit der Akteure und ihre Bereitschaft zu sachgerechten Kompromissen müsste man indes zugleich das Solidarprinzip als solches preisgeben.

Den Zynikern im Gesundheitswesen bleibt als letzter Ausweg stets der Verweis auf die Politik. Da ein taugliches Instrument zur Auflösung zweifellos vorhandener Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu finden und eine Erhöhung der Mittel aus gesetzlichen Beiträge nicht durchsetzbar sei, müsse das System insgesamt privatwirtschaftlich freigegeben und über die dann zumindest im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung notwendigen Rationierungsentscheidungen einer allenfalls rudimentären Grundversorgung politisch entschieden werden. Dass in das bestehende System bereits Formen der Rationierung medizinischer Leistungen Eingang gefunden haben, wird realistischerweise niemand bestreiten. Mir ist aber lieber, wenn solche Entscheidungsprozesse durch die wie immer auch defizitäre und eingeschränkte Rationalität der immerhin fachlich geschulten Partner in der Selbstverwaltung gesteuert wird, anstatt der kompletten Irrationalität eines leeren oder gefüllten Geldbeutels anheim gegeben zu sein. Nach meiner Einschätzung gibt es zur Verbindung von Sach- und Ressourcenkompetenz bei den in der Selbstverwaltung Beteiligten keine Alternative - freilich unter stärkerer Einbeziehung der organisierten PatientInnen. Die Politik kann lediglich Strukturen und Instrumente zur Verfügung stellen, mit Hilfen derer solche Entscheidungsprozesse dann durchgeführt werden. Das setzt freilich voraus, dass neben medizinischer Fachkompetenz ökonomische Vernunft und nicht nur betriebswirtschaftliches Kalkül die jeweiligen Akteure bestimmt.

Zu der politisch vorgegebenen Struktur gehört - und nur darum ging es in der unsäglichen Budgetdebatte - die objektive Begrenzung der verfügbaren Mittel. Sicher ist Beitragssatzstabilität kein Wert an sich; aber angesichts erodierenden Solidarbewusstseins wird die Akzeptanz des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit jedem Gehaltszettel auf eine harte Probe gestellt. Das Abwandern der „guten Risiken" in die private Krankenversicherung oder in die erhöhte Selbstbeteiligung läuft auf lange Sicht den Interessen aller entgegen, die schon jetzt oder potentiell PatientInnen sind. Wenn auch deren Interessen sich nicht immer mit denen der „bloß" Versicherten decken - darum gibt es ja die Forderung nach einer „dritten Bank" in der Selbstverwaltung -, so ist doch dringend davor zu warnen, Versicherte und PatientInnen auseinander zu dividieren. Jeden Versicherte ist dies ja nur, weil er oder sie potentiell und erwartungsgemäß irgendwann auch Patientln ist. Gerade chronisch kranke Menschen sind auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft angewiesen; sie können daher vor der ökonomischen Frage nach Ressourceneffizienz im Gesundheitswesen nicht die Augen verschließen. Das hohe Niveau der medizinischen Versorgung ist die eben - das zeigt schon der innereuropäische Vergleich - keineswegs selbstverständlich. Wenn künftig das wissenschaftlich und technisch Mögliche - sofern es „nur" der Erleichterung und nicht unmittelbar der Erhaltung des Lebens dient - aus finanziellen Gründen nicht mehr sofort angewendet werden wird, so mag dies unseren gewöhnten Ansprüchen zuwiderlaufen, weil der ökonomische Einfluss auf die gesundheitliche Versorgung manifest wird. Es ändert nichts daran, dass die pharmazeutische und medizintechnologische Entwicklung immer entscheidend von volks- und sogar betriebswirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird. Dem Widerspruch zwischen objektiver und subjektiver Zeit, dem Dilemma etwa, dass angesichts der individuell begrenzten Lebensspanne eine bestimmte Entwicklung einfach ,;zu spät" kommt, entgehen wir nicht. Darum ist Gesundheit im Sinne einer fundierten Prognose meiner begrenzten Lebenszeit und der Bewahrung größtmöglicher Selbstbestimmung und Lebensqualität schon immer ein zentral ökonomisches Thema, freilich nicht ohne Widerspruch zur herrschenden Ökonomie des Marktes.

„Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf." (K. Marx) Der Anspruch an die Gesellschaft, die gesundheitliche Versorgung professionell und solidarisch zugleich zu organisieren, setzt voraus, dass die kapitale Gleichung von Zeit und Geld letztlich keine Geltung besitzt. Aus diesem antithetischen Verhältnis zur herrschenden Ökonomie bezieht das Gesundheitswesen seine Dignität: der Leistungsträger und Besserverdienende, ja selbst der mündige Patient kann im Falle der Angewiesenheit auf medizinische Leistungen die viel beschworene und nun auch in das Gesundheitswesen Einzug haltende Kundensouveränität nur solange aufrechterhalten, wie ihm zugleich bewusst bleibt, dass die Grenze seiner Lebenszeit und der Grad seiner Lebensqualität letztlich nicht an seinem Kontostand abzulesen sind. Zwar hängen Wohlstand und Wohlbefinden zusammen, die Logik des Leibes ist eingebunden in die ökonomische, aber eben dadurch auch nicht vollends determiniert. Die leiblich begrenzte Lebenszeit hat ihren Eigensinn, der spätestens im Krankheitsfall drastisch zutage tritt. Das heilberufliche Handeln hat daher neben der Krankheit stets die damit verbundene Kränkung zu berücksichtigen, dass nämlich individuelle und allgemeine Heilsökonomie auseinanderfallen, dass Erfolg im Leben unter einem schweren Vorbehalt steht. Dieser Vorbehalt liegt dem professionellen Umgang mit Krankheit und Gesundheit zugrunde, nicht immer bewusst; er versetzt das Gesundheitswesen per se in ein gespanntes Verhältnis zur betriebs- wie zur volkswirtschaftlichen Logik.

Gerade weil Gesundheit sich - zumindest individuell - lückenloser Prognostik und daher dem Kalkül entzieht, ist - anders als bei der Altersvorsorge - die „Eigenverantwortung" stark eingeschränkt. Angesichts der auch gesellschaftlich komplexen Verteilung von Lebenschancen stellt sich, auch bei optimaler Prävention und Gesundheitsförderung, Gesundheit aus Sicht der/des einzelnen eher als Schicksal denn als Ergebnis selbstbestimmten Handelns dar. Darum gibt es gute Gründe, im Gesundheitswesen das Solidar- gegenüber dem Versicherungsprinzip, erst recht gegenüber einer angeblichen Kundensouveränität sogar zu stärken. Wenn wir aber dann eben auch volkswirtschaftlich über dieses Solidarsystem, und zwar im Blick auf die Einnahmen wie die Ausgaben, sprechen müssen, so gibt es meiner Ansicht nach eine Reihenfolge, in der die Themen abzuarbeiten sind.

1. Zunächst geht es um die Beseitigung systembedingter Verschwendungsanreize, die im Abrechnungsverfahren für medizinische Leistungen selbst begründet liegen, z.B. durch mehr Fallpauschalen statt Einzelleistungsvergütung, ein System der Zeithonorierung oder Anstellung gegen Gehalt.

2. Weiter sind Wirtschaftlichkeitsreserven aufzulösen, die unabhängig davon noch vorhanden sind, z.B. durch die Beseitigung von Schnittstellenverlusten zwischen ambulanter und stationärer Versorgung oder Instrumente wie eine qualitätsorientierte Positivliste.

3. Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze und die Erweiterung des Versichertenkreises, z.B. um Beamte, kann auch auf der Einnahmeseite zu Entlastungen führen.

Und erst dann muss man, wenn überhaupt noch,

4. über Einschränkungen des Leistungskataloges, Arzneimittelrichtlinien und dergleichen nachdenken.

Leider ist zu beklagen, dass auch die Koalition ihre Reformdiskussion eher in umgekehrter Reihenfolge geführt und dabei den Eindruck erweckt hat, als diene die angeschobene Qualitätsdebatte primär der Kostendämpfung. Die Koppelung von Budgetierung und Qualitätssicherung legt dieses Missverständnis nahe. Unter der Prämisse, dass Effizienz- und Qualitätssteigerung sich nicht per se widersprechen, sondern in einem System mit erheblichen Steuerungsdefiziten sogar konvergieren können, macht eine globale Ausgabengebgrenzung, die interne Verteilungsoptionen öffnet, durchaus Sinn. Im Gesundheitswesen, in dem Markt und Solidargemeinschaft sich mischen, müssen Anreize zur Wirtschaftlichkeit von außen gesetzt, allerdings auch mit Qualitätskriterien verbunden werden. Der oktroyierte Sparzwang allein führt weder zur Kostendämpfung noch gar zur Qualitätsentwicklung. Das Globalbudget kann - sofern an der Abrechnungssystematik nichts Grundlegendes geändert wird den schon heute zu beklagenden Hamsterradeffekt sogar noch verschärfen. Vom Frühjahrsfieber nach dem Motto „Was man hat, das hat man" über die medizinische Herbstdepression bis zur budgetkonformen Punktlandung sind auch von diesem Instrument durchaus negative Steuerungseffekte zu erwarten, wenn medizinische Fach- und ökonomische Ressourcenkompetenz vom betriebswirtschaftlichen Kalkül überlagert werden. Dass der erste notwendige Reformschritt, die Veränderung des Abrechnungssystems, unterblieben ist, erscheint mir als Kardinalfehler der Reform, für den man jedoch nicht allein das Bundesgesundheitsministerium verantwortlich machen kann. Die Akteure der Selbstverwaltung hätten längst alternative Modelle in die Diskussion einbringen oder schon ausprobieren müssen. Die Ärzteverbände haben mit ihrer Blockadehaltung diese notwendige Diskussion mindestens genauso verhindert wie die Zurückhaltung der Koalition an dieser Stelle. Die Frage der ökonomischen Steuerung des Gesundheitswesens ist daher weder tabu, noch mit dem Instrument der Budgetierung allein zu beantworten. Das Globalbudget kann jedoch einen betriebswirtschaftlichen Anreiz bieten, um ökonomische Vernunft und medizinische Fachlichkeit konstruktiv zusammenzuführen.


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