zur Eröffnung der 50. Lindauer
Psychotherapiewochen 2000
am 8. April 2000 um 18.30 Uhr in der Inselhalle
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrter Herr Prof. Buchheim,
sehr geehrter Herr Prof. Cierpka,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
über die Einladung zur 50. Jubiläumsveranstaltung der traditionsreichen und
über den deutschsprachigen Raum hinaus bekannten und beachteten Lindauer
Psychotherapiewochen habe ich mich sehr gefreut. Die Lindauer
Psychotherapiewochen haben sich zu dem Treffpunkt für alle entwickelt,
die psychotherapeutisch arbeiten. Das Interesse hat dabei in den vergangenen 50
Jahren nicht ab, sondern zugenommen.
Dies hat sicher auch ein wenig mit dem Charme Lindaus zu tun, das Sie sich
als Tagungsort auserkoren haben. Viel mehr aber liegt die Attraktivität dieser
Veranstaltung wohl darin, dass hier neue wissenschaftliche Erkenntnisse und
fachliche Erfahrungen in die psychotherapeutische Praxis transferiert werden.
Ich habe die Einladung zu dieser 50-Jahr-Feier gerne angenommen, weil ich
damit die Bedeutung, die die Psychotherapie im deutschen Gesundheitswesen hat,
unterstreichen möchte. Manche von Ihnen werden sich vielleicht sagen: davon
haben wir nichts. Wir brauchen vor allem eine bessere Vergütung. Ich verspreche
Ihnen, ich werde gleich auf dieses Thema eingehen. Allerdings muss ich alle
Hoffnungen enttäuschen, die sich darauf richten, ich sei hierher mit einem
großen Koffer voller Geld gekommen. Das ist nicht der Fall. Nicht nur, weil es
sich zur Zeit ohnehin nicht schickt, Geld in Koffern herumzutragen. Die Fragen
der Finanzierung sind ziemlich kompliziert, vor allem haben sie nichts mit
meinem persönlichen Geiz zu tun. Denn es geht in erster Linie um die Verteilung
der Mittel innerhalb der Selbstverwaltung.
Bedeutung der Psychotherapie
Zunächst jedoch ein paar grundsätzliche Worte zur Psychotherapie. Wenn wir
den Menschen als psychosoziales und biologisches Wesen akzeptieren, so ist
historisch gesehen die Psychotherapie eine uralte Methode der Heilkunst zur
Einflussnahme auf seelische Störungen des Menschen. Sie ist auch bereits seit
langem unbestrittener Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens. Geändert
haben sich mit wachsendem Wissensstand über Körper und Psyche des Menschen die
Qualität der Methoden, die Art der Inanspruchnahme und in jüngerer Zeit die
Möglichkeiten des Zugangs für die Patientinnen und Patienten.
Was ist das Interessante an der Psychotherapie? Sie leistet sowohl in der
primären und sekundären Prävention als auch in der Therapie und
Rehabilitation akut und chronisch kranker Menschen einen wichtigen Beitrag zur
Krankheitsbewältigung. Sie stellt damit ein wichtiges Bindeglied innerhalb der
Versorgungskette dar. Deshalb ist es richtig, dass allen Betroffenen ein
indikationsspezifischer Zugang zu qualitativ abgesicherten psychotherapeutischen
Leistungen ermöglicht wird.
An der Verwirklichung dieses Zieles arbeiten die meisten von Ihnen schon seit
vielen Jahren. Die ersten Überlegungen für eine gesetzliche Regelung zur
Professionalisierung der Psychotherapie liegen mehr als 20 Jahre zurück. Mit
der Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes, das zu Beginn des Jahres 99 in
Kraft getreten ist, sind wir diesem Ziel ein ganzes Stück näher gekommen. Auch
wenn Gesetze immer im Aushandeln von Kompromissen entstehen, am Ende des
Diskussionsprozesses stand die Mehrheit der Psychotherapeutenverbände hinter
dem beschlossenen Entwurf.
Es war die Hoffnung, dass mit der Verabschiedung des
Psychotherapeutengesetzes die Diskussionen um die Auswahl der
Psychotherapieverfahren, Regelungsnotwendigkeiten und Zugangskonditionen zur
psychotherapeutischen Versorgung ein Ende haben sollten. Wir wissen jedoch
inzwischen, dass dies nur zum Teil der Fall ist. Strittig waren und sind
Indikationsgebiete, Methodenvielfalt und Qualitätskontrolle der Verfahren
verschiedener psychotherapeutischer Schulen, sowie die Zulassungsmodalitäten
zur kassenärztlichen Versorgung.
Psychotherapeutenbudget
Lassen Sie mich mit dem schwierigsten Thema, der Integration der neuen
Vertragspsychotherapeuten in die Kassenärztlichen Vereinigungen beginnen.
Mit dieser Integration sind die anerkannten Psychotherapeuten Teil des
vertragsärztlichen Versorgungssystems geworden mit allen Vor- und Nachteilen,
die dieses mit sich bringt. Wir haben in Deutschland ein System, in dem
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte freiberuflich tätig sind. Und ich denke
wir sind alle gemeinsam froh darüber, dass wichtige Entscheidungen in unserem
System durch die Selbstverwaltung und nicht durch die Politik getroffen werden.
Dazu gehört auch, dass die Honorare von den Vertretungen der Ärzte, d.h.
den Kassenärztlichen Vereinigungen, mit den Kassen, ausgehandelt werden. Es
gibt dabei bestimmte Regeln zu beachten, die durch die Politik gesetzt und durch
die Aufsichtsbehörden überwacht werden.
Der Nachteil dieses Systems ist zweifelsohne, dass man als niedergelassener
Arzt oder Psychotherapeut keine Einkommensgarantie hat. Für viele
Psychotherapeutinnen zusätzlich gewöhnungsbedürftig ist sicher außerdem,
dass die Höhe der Vergütung immer erst im Nachhinein endgültig feststeht.
Weil jedoch auch die Mehrheit der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten von
den Vorteilen dieses Systems überzeugt war, war es ihr Ziel in dieses System
integriert zu werden. So habe ich wenigstens die Diskussionen in Erinnerung.
Zu den Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, gehört das Ziel der
Beitragssatzstabilität. Damit haben wir die Entscheidung getroffen, nach der
die Ausgaben im Gesundheitswesen insgesamt nicht stärker steigen sollen, als
die Entwicklung auf der Einnahmeseite, es sei denn der Bedarf ändert sich
gravierend. Zu dieser politischen Setzung bekenne ich mich. Jetzt kann man
fragen, ob es bei so einem wichtigen Gut wie Gesundheit überhaupt legitim ist,
eine Grenze zu setzen. Dem halte ich entgegen, dass die Mittel, die wir zur
Verfügung haben, immer begrenzt sein werden, selbst wenn wir versuchen, z.B.
auf der Einnahmeseite etwas zu ändern.
Aufgabe der Politik ist es auch, die Zahl der Leistungsanbieter in gewissem
Rahmen zu begrenzen und die Regeln für den internen Verteilungsstreit, der sich
automatisch daraus ergibt, dass die Mittel in einer Sozialversicherung immer
begrenzt sein werden, zu setzen.
Die im Psychotherapeutengesetz bereits von der Vorgängerregierung
eingeführte Übergangsregelung für die Vergütung psychotherapeutischer
Leistungen im Jahr 99 war jedoch offenbar problematisch, obwohl wir mit dem
Solidaritätsstärkungsgesetz noch eine deutliche Nachbesserung von ca. 140 Mio.
DM beschlossen hatten; das zeigen die seit Monaten andauernden
Auseinandersetzungen über die Höhe der Budgets und über die Frage, ob diese
Budgets ausreichend sind oder nicht.
Entscheidend ist aber, dass das Gesetz eine sogenannte Auffangregelung
vorsieht, für den Fall, dass der aus dem vorgegebenen Budget errechnete
Punktwert für eine angemessene Vergütung nicht ausreicht. Als Maßstab für
die Angemessenheit der Vergütung hat der Gesetzgeber vergleichbare ärztliche
Leistungen, nämlich Beratungs- und Betreuungsleistungen benannt. Dieses
Vergütungsniveau soll nicht unterschritten werden.
Im zweiten Halbjahr 99 kam es dennoch zu einem drastischen Absinken des
Vergütungspunktwertes weil das von den Kassenärztlichen Vereinigungen
bereitgestellte Honorarvolumen zum Teil gegenüber 98 abgesenkt wurde. Mit
anderen Worten: Mittel die eigentlich für die Psychotherapie hätten verwendet
werden sollen, sind in die Vergütung für andere Arztgruppen geflossen. In
welchem Umfang auch eine Mengenausweitung bei psychotherapeutischen Leistungen
Ursache für den Rückgang ist, ist noch nicht klar, da die Daten von der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung bislang nicht zur Verfügung gestellt
wurden.
Gegen Ende des letzten Jahres haben wir wegen dieser Probleme mit allen
Beteiligten intensive Gespräche geführt. Dabei gab es Ende Januar einen
Konsens mit den Aufsichtsbehörden der Länder, dass bei der Vergütung 99 der
vorgegebene Mindestpunktwert nicht unterschritten werden darf. Die Frage, in
welchem Umfang die mit einer Punktwertstützung verbundenen Aufwendungen jeweils
von den Kassen bzw. den KVen zu tragen sind, wird auf der Ebene der
Selbstverwaltung durch Verhandlungen bzw. Schiedsamtsentscheidungen entschieden.
Dieses Verfahren berücksichtigt auch die großen regionalen Unterschiede.
Ich denke damit haben wir einen Prozess eingeleitet, in dem die Probleme, die
im Jahr 99 entstanden sind, einer wenigstens halbwegs akzeptablen Lösung
zugeführt werden können. Allerdings ist eine abschließende Überprüfung der
Auswirkungen der Übergangsregelung erst möglich, wenn alle derzeit noch
laufenden Verhandlungen bzw. Schiedsamtsverfahren abgeschlossen sind. Bislang
liegen die Daten noch nicht vollständig vor. Ich sage Ihnen hiermit
ausdrücklich zu, dass wir diese Prüfung intensiv durchführen werden.
Mit Beginn diesen Jahres haben wir eine neue Situation. Die Vergütung
psychotherapeutischer Leistungen ist integraler Bestandteil der
Gesamtvergütungen für die vertragsärztliche Versorgung. Mit der
Gesundheitsreform 2000 haben wir gesetzlich festgeschrieben, dass aufgrund der
besonderen Tätigkeit in der Psychotherapie eine angemessene Höhe der
Vergütung je Zeiteinheit zu gewähren ist. Der zuständige Bewertungsausschuss
hat einen Beschluss getroffen, der nach Angaben der KBV für das Jahr 2000 zu
regionalen Mindest-Punktwerte zwischen 7 und 8 Pfennigen führt.
Dabei hat sich der Bewertungsausschuss weitgehend an der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes orientiert, mit Ausnahme der Kalkulation der Praxiskosten.
Der Bewertungsausschuss geht von 66.000 DM, das BSG von 90.000 DM aus Und hier
liegt die Ursache dafür, dass im Ergebnis zwischen dem Urteil des BSG und dem
Beschluss des Bewertungsausschusses eine Differenz in Höhe von 2-3 Pfennig
besteht.
In der Zuständigkeit des Ministeriums liegt die Prüfung des Beschlusses des
Bewertungsausschusses. Zu prüfen ist u.a., ob es zutrifft, das sich aus der
Berechnungsmethodik regionale Vergütungsunterschiede ergeben, die in die
Zukunft fortgeschrieben werden. Denn es ist für mich als Außenstehende doch
sehr unverständlich, weshalb die Praxiskosten von Region zu Region so
unterschiedlich ausfallen sollen. Diese Prüfung ist jedoch noch nicht
abgeschlossen. Wir werden den Bewertungsausschuss bzw. die ihn bildenden
Körperschaften, d.h. die Spitzenverbände der Krankenkassen und die KBV,
auffordern, zur Kritik der Psychotherapeutenverbände an diesem Beschluss
Stellung zu nehmen.
Ich kann Ihnen versichern, dass das BMG alle Möglichkeiten ausschöpfen
wird, um die in der GKV-Gesundheitsreform 2000 geschaffene Vorgabe, die
Leistungen der Psychotherapeuten angemessen zu vergüten, umzusetzen.
Zugang zu Psychotherapie
Soviel zum Thema Geld. Nun zu den anderen Teilen des Psychotherapeutengesetzes.
Da das Positive ja leider immer schnell vergessen wird, möchte ich an den
Durchbruch erinnern, den das Psychotherapeutengesetz für die Versicherten beim
Zugang zur Therapie bedeutet. Statt des vorherigen relativ bürokratischen
Verfahrens haben die Patientinnen und Patienten mit dem Gesetz ein
Erstzugangsrecht zum Psychotherapeuten erhalten. Durch das Gesetz wurde
außerdem die Gleichstellung der ärztlichen mit den psychologischen
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichentherapeuten erreicht.
Mit dem gesetzlichen Schutz der Bezeichnung "Psychotherapeut" haben
die Patientinnen und Patienten auch die Gewissheit darüber, dass sie einem
Behandler gegenübertreten, der über eine geregelte Ausbildung, verbrieft durch
eine Approbation, verfügt.
Berufsrecht
In seinem berufsrechtlichen Teil hat das Psychotherapeutengesetz zwei neue eigenverantwortliche Heilberufe geschaffen, deren bundeseinheitliche Ausbildung auf einem qualitativ hohen Niveau geregelt worden ist. Dabei halte ich es für sehr wichtig, dass ein eigenes Berufsbild auch für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten geschaffen wurde, denn Kinder und Jugendliche brauchen unsere besondere Unterstützung. Dies gilt gerade auch für die in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.
Nach dem Gesetz dauern die beiden neuen Ausbildungen in Vollzeitform
mindestens drei und in Teilzeitform mindestens fünf Jahre. Mit der Regelung
einer Teilzeitausbildung wurde der Tatsache entsprochen, dass vor Inkrafttreten
des Gesetzes psychotherapeutische Ausbildungen häufig in Teilzeitform
durchgeführt worden sind, weil die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nebenbei
einem Beruf nachgingen, um so die Ausbildung zu finanzieren. Ob die Form der
Teilzeitausbildung in Zukunft weiterhin überwiegen wird oder sich die
Interessenten vermehrt der dreijährigen Vollzeitausbildung zuwenden werden,
bleibt abzuwarten. Hierbei wird sicherlich der Gesichtspunkt der Finanzierung
der Ausbildung eine wichtige Rolle spielen, wobei grundsätzlich eine Förderung
durch das BAföG möglich ist.
Anerkennung psychotherapeutische Verfahren
Sowohl bei der Ausbildung als auch bei der Zulassung nimmt der Begriff der "wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren" eine zentrale Bedeutung ein. Welche Verfahren wissenschaftlich anerkannt sind, hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Und ich denke, dies war eine richtige Entscheidung, denn es kann nicht Aufgabe des Bundestages sein, Erkenntnisse der medizinischen bzw. psychotherapeutischen Wissenschaft und Forschung in einem Gesetz festzuschreiben. Damit kann außerdem der weiteren Entwicklung auf dem Gebiet der Psychotherapie am besten Rechnung getragen werden. Andernfalls wäre eine Anerkennung neuer Verfahren ohne Änderung des Gesetzes nicht möglich.
Da im Gesetz nicht definiert wurde, was unter wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren zu verstehen ist, und die Entscheidung darüber bei den Landesbehörden liegt, wurde diesen ein wissenschaftlicher Beirat zur Unterstützung zur Seite gestellt.
Die Länder haben in Zweifelsfällen über die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung eines Verfahrens ihre Entscheidung auf der Basis eines Gutachtens eines wissenschaftlichen Beirates zu treffen. Dieser Beirat der Bundesärztekammer hat seine Tätigkeit inzwischen aufgenommen und den Ländern über die Verfahren "Gesprächstherapie" und "Systemische Familientherapie" Gutachten erstattet.
In der Fachöffentlichkeit sind die Arbeiten des wissenschaftlichen Beirates
nicht unumstritten. Denn diese Entscheidungen haben Auswirkungen auf die
Arbeitsmöglichkeiten der Therapeutinnen und Therapeuten bestimmter Richtungen.
Deshalb werden wir die weitere Diskussion und Entwicklung der Beiratstätigkeit
aufmerksam verfolgen.
Bedarf an Psychotherapie
Über den Bedarf an Psychotherapie in der Bevölkerung gibt es die unterschiedlichsten Schätzungen. Wir können feststellen, dass die Zahl der Behandlungsfälle und auch die Zahl der Behandler in den Jahren seit 1996 deutlich gestiegen ist. Die Zahlen sind jedoch für die einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich. Ein deutliches West-Ost Gefälle bei der In-Anspruchnahme ist unbestreitbar.
Außerdem stehen wir vor der Situation, dass vor allem höher Gebildete, gut verdienende Personen in Ballungsräumen das neue Leistungsangebot der Krankenkassen nutzen. Wir müssen jedoch davon ausgehen, dass auch in anderen Gruppen ebenso ein Bedarf an Psychotherapie vorhanden ist. Darüber hinaus gibt es Gruppen wie z.B. Migrantinnen und Migranten, bei denen eher von einem höheren Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung auszugehen ist.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist lange über die Frage der
Eigenbeteiligung der Patientinnen und Patienten diskutiert wurden. Diese wurde
mit der Begründung verworfen, dass allen - unabhängig vom Einkommen ein Zugang
zur Psychotherapie ermöglicht werden sollte. Die Voraussetzungen sind also
geschaffen. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbeiten, dass sich die
vorhandenen Strukturen nicht verfestigen, sondern im Gegenteil Psychotherapie
ihren Beitrag dazu leistet, ungleiche Zugangschancen zu Gesundheit zu
verringern.
Da die Ermittlung des Bedarfes an Psychotherapie ein äußerst schwieriges
Unterfangen ist, wurde durch das Zentralinstitut der Kassenärztlichen
Vereinigung in einem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten
Modellprojekt ein Instrumentarium entwickelt, welches der Spezifik der
psychotherapeutischen Leistung Rechnung trägt und den zuständigen
Länderregierungen eine Bedarfsplanung möglich machen soll.
Der neue methodische Ansatz besteht in der Berücksichtigung von
Indikatoren der Morbidität und der Nachfrage der Bevölkerung, sowie in der
Berücksichtigung von Angebotsindikatoren zur Festlegung der Bedarfskriterien.
Damit bietet das Gutachten, das in dieser Woche in der Schriftenreihe des BMG
erschienen ist, wertvolle Anregungen für eine sachgerechte Bedarfsplanung,
deren Einführung in der Gesundheitsreform 2000 beschlossen wurde. (Titel:
"Indikatoren zur Ermittlung des ambulanten psychotherapeutischen
Versorgungsbedarfs")
Eine wichtige Frage ist außerdem, welche Einsparungen an anderer Stelle den
möglicherweise entstehenden Mehrkosten durch die Psychotherapie
gegenüberstehen.
Viele von Ihnen argumentieren, dass sich durch eine frühzeitige und
angemessene psychotherapeutische Behandlung erhebliche Kosten sparen lassen,
dadurch dass frühzeitig richtig behandelt und den Patientinnen und Patienten
eine lange Odyssee durch die verschiedenen Arztpraxen erspart wird.
Ich halte diese Annahme grundsätzlich für richtig. Leider belegen jedoch
alle Erfahrungen in der Medizin bislang, dass neue Verfahren meist zusätzlich
zum bestehenden hinzugekommen sind. Dies ist kein spezifisches Problem der
Psychotherapie. Das wichtigste ist deshalb, dass die verschiedenen
Expertengruppen interdisziplinär zusammenarbeiten. Diesen Weg haben wir mit der
Gesundheitsreform 2000 deutlich vorangebracht. Wir haben die integrierte
Versorgung gestärkt und ich hoffe sehr, dass auch Psychotherapeutinnen und
-therapeuten diese Chance zur fach- und sektorenübergreifenden Kooperation
nutzen. In der Zusammenarbeit sehe ich auch neue Möglichkeiten für ein
besseres gegenseitiges Verständnis der verschiedenen Gruppen im
Gesundheitswesen. Die Psychotherapie muss sich ihren Platz in diesem System zum
Teil erst noch erkämpfen. Ich bin mir sicher, dass mehr Zusammenarbeit zu einer
wachsenden Wertschätzung führen wird, die am Ende auch positive Auswirkungen
auf den Verteilungsstreit innerhalb der Ärzteschaft haben wird.
Schluss
Das Psychotherapeutengesetz einschließlich der
sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ist nun gerade erst ein gutes Jahr in
Kraft, viele Erfahrungen sind noch neu. Es ist klar, dass die Bilanz
zwiespältig ausfallen muss, vor allem weil die Budgetfragen selbstverständlich
großen Raum in der Diskussion einnehmen. Dennoch sollten die positiven Dinge,
die mit Hilfe der gesetzlichen Regelungen erreicht wurden, vor allem die
Integration der psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten in das
System der niedergelassenen Ärzte nicht gering geschätzt werden.
Manches wird sich vielleicht auch dadurch klären, dass Psychotherapeutinnen
und -therapeuten in Zukunft auch innerhalb der Strukturen der Selbstverwaltung
anders agieren können, als dies bislang der Fall war. Wie Sie wissen haben wir
mit der Gesundheitsreform versucht die Strukturen der Selbstverwaltung zu
demokratisieren, sind jedoch leider auch in diesem Punkt am Widerstand der
unionsregierten Länder gescheitert. Das Thema steht jedoch weiterhin auf der
Tagesordnung.
Ich halte es grundsätzlich für richtig, dass neue Gesetze gerade in so
einem komplizierten Gefüge wie unserem Gesundheitssystem nach einer gewissen
Zeit einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Wir werden noch in diesem
Jahr alle Verbände um eine Stellungnahme zu ihren Erfahrungen mit der
Neuordnung der psychotherapeutischen Versorgung bitten. Diese soll sich nicht
nur auf die Frage der Vergütungen beziehen, sondern alle Themenbereiche also
auch Fragen der Zulassung, der Qualitätsprüfung etc. umfassen. Wir sollten
dann eine faire Diskussion führen, die genau prüft, in welchen Bereichen das
Gesetz Verbesserungen erbracht hat und wo Nachbesserungen unabdingbar sind.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche den 50. Lindauer Psychotherapie-Wochen einen erfolgreichen Verlauf und Ihnen allen erlebnis- und erkenntnisreiche Tage.