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Die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie erhielten eben folgenden Brief des bvvp.


bvvp    Bundesverband  der  Vertragspsychotherapeuten  e.V.

An
- BMG
- Sozialministerien der Länder

- Mitglieder des Gesundheitsausschusses
- Presse

Vorsitzende:
Dr. med. Birgit Clever
Schwimmbadstr. 22
79100 Freiburg
Tel:(0761) 7 91 02 45
Fax:(0761) 7 91 02 43

 

Freiburg, den 23.03.2000

Vergütung für psychotherapeutische Leistungen
Beschluss des Bewertungsausschusses Ärzte/Krankenkassen, vom 16.02.2000

Sehr geehrte Damen und Herren,

der nun vorliegende Beschluss des Bewertungsausschusses Ärzte und Krankenkassen zur Vergütung der Psychotherapeuten ist ein erschreckendes Dokument des Versagens der Partner der Selbstverwaltung. Es dürfte in der Geschichte dieses mit hohen regulativen Kompetenzen aus-gestatteten Organs wohl ein bislang einmaliger Vorgang sein, dass es sich gegen höchst-richterliche Rechtsprechung und gegen den gesetzlichen Auftrag zu einer Beschlussfassung hat hinreißen lassen, die eklatant gegen die bisher von diesem Gremium beachteten Grundsätze der Neutralität und des Interessenausgleichs verstößt und die einfachsten Regeln korrekter Berechnungsgrundlagen missachtet.

Offensichtlich weil die KBV bei einer noch angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen mit einem Punktwert von 10 Pf die finanziellen Belastungen für die übrige Ärzteschaft fürchtete und weil die Krankenkassen sich vor daraus ergebenden Forderungen der Ärzteschaft schützen wollten, kam es zu einer unheiligen Allianz gegen die Psychotherapeuten und gegen die psychotherapeutische Versorgung. Das BSG hatte in den Urteilen vom 20.01.99 und 25.08.99 auch auf die bedrohte Sicherstellung durch unzureichende Vergütungen hingewiesen und auf die Verpflichtung der KVen zu verhindern, dass die Arztgruppe der Psychotherapeuten ”existenz-fähige Praxen nicht mehr führen kann”. Der mit dem vorliegenden Beschluss sich errechnende bundesdurchschnittliche Punktwert von 7,5 Pf für 2000 liegt - unter Berücksichtigung der Inflationsrate - auf Niveau der Vergütungen des Jahres ‘93 und darunter, gegen das die Psychotherapeuten zuletzt vor dem BSG gerade mit Erfolg geklagt hatten.

Es seien hier kurz die Einzelheiten des Beschlusses genannt.

1.      Unter Punkt 2.3 bis 2.5 werden - auch nach Einführung des Faktors 1,47 - die Praxiskosten künstlich heruntergerechnet. Die mit Hilfe dieses Rechenganges unterstellten Praxiskosten bei ca. 44 000,- DM sind unrealistisch niedrig, entsprechen nicht den empirischen Daten und der für eine maximale Auslastung zur maximalen Punktwerterzielung erforderliche optimierten Praxisausstattung.

2.      Unter 1.1 wird zunächst die richtige Prämisse vorangestellt, die Höhe des Punktwertes für psychotherapeutische Leistungen könne ”nur in Abhängigkeit von der Ertrags- und Umsatzentwicklung im gesamten vertragsärztlichen Bereich festgelegt werden.” Aber bereits im nächsten Satz wird diese Prämisse wieder verlassen: Die Ertrags- und Umsatzverhältnisse der Psychotherapeuten sollen verglichen werden mit der nächstschlechtest verdienenden Arztgruppe, der hausärztlich tätigen Allgemeinmediziner, und zwar auf der Basis von 1998
(s. Punkt 2.6 ). Deren Benachteiligung wurde gerade durch den gesetzlichen Eingriff des GRG 2000 korrigiert.

3.      Die Addition aus künstlich minimierten Praxiskosten und dem nicht mehr für 2000 zutreffenden Einkommensniveau der hausärztlichen Allgemeinmediziner des Jahres 1998 werden willkürlich als Soll-Umsatz der Psychotherapeuten bezeichnet. (Punkt 2.7). Der sog. Soll-Umsatz dürfte je nach KV zwischen 140 000,- DM und 190 000,-DM liegen.

4.      Nach Punkt 2.8 soll dieser ”Soll-Umsatz” dann durch die maximal erreichbare Punktzahl von 2.244.600 Punkten dividiert werden, um zu dem Mindestpunktwert nach Punkt 2.9 zu kommen. Im Ergebnis wird daraus bundesdurchschnittlich ein Punktwert um 7,5 Pf resultieren. Diese Rechenoperation ist unter sachlichen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten völlig unhaltbar. Es wird damit ”Soll-Umsatz mit Maximalumsatz gleichgesetzt. Eine vergleichbare Rechenoperation bei anderen Arztgruppen, deren Mindestpunktwert zu ermitteln durch Division des Durchschnittsumsatzes durch die Punktzahl der Maximalabrechner in der eigenen Arztgruppe, würde zur Folge haben, dass man auf mindestens 20-30% des derzeitigen ambulanten Budgets verzichten könnte.

5.      Unter Punkt 2.9 wird dann noch einmal verbindlich festgelegt, dass mehr als 561.150 Punkte/Quartal oder 2.244.600 Punkte/Jahr nicht vergütet werden, d.h. diese Punktzahl tatsächlich das absolute Maximum darstellt. Das bedeutet, dass der Psychotherapeut selbst bei Maximalauslastung in seinen besten Arbeitsjahren nicht einmal den Durchschnittsumsatz der nächstschlechtest verdienenden Arztgruppe bekommt. Dieser Durchschnittsumsatz der Hausärzte liegt aber noch einmal mindestens 20% unter dem Durchschnitt einer vollausgelasteten Hausarztpraxis und 50% unter dem Durchschnitt einer maximal ausgelasteten Hausarztpraxis.

Damit trifft der Bewertungsausschuss implizit folgende Aussage: ”Soll-Umsatz” und Soll-Einsatz des Psychotherapeuten liegen bei dessen maximal möglicher Auslastung. Der Therapeut hat sogar bei optimaler Auslastung nicht die Möglichkeit, das Durchschnittseinkommen eines Hausarztes zu erreichen, falls er mal krank wird oder älter oder er nicht maximal sondern nur durchschnittlich arbeiten will oder kann, oder die minimalisierte Praxisausstattung ihm eine Maximalauslastung gar nicht erlaubt. Ein einmal eingetretenes Defizit kann er nie mehr ausgleichen, auch wenn er noch soviel arbeitet.

Für jeden Psychotherapeuten gilt: sein ”Soll” heißt dauerhaft maximal zu arbeiten gegen eine dauerhaft weit unterdurchschnittliche Entlohnung - mit der Möglichkeit sich wahlweise persönlich und/oder wirtschaftlich zu ruinieren.

Festzuhalten ist, dass der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss widerrechtlich und gegen das Gesetz den Punktwert für die Psychotherapeuten heruntermanipuliert. Das Bundessozialgericht lässt in seiner Urteilsbegründung für derartig willkürliche Umberechnungen keine Möglichkeiten zu. Es leitet die Stützungsverpflichtung aus dem Grundgesetz her. Nur für den Fall eines allgemeinen Rückganges der Überschüsse aus vertragsärztlicher Tätigkeit lässt es eine - dann auch nur proportional vorzunehmende - Abweichung von der Stützungsverpflichtung auf 10 Pfennig zu: ”Soweit die Entwicklung der Honorierung ärztlicher Leistungen in der Zukunft .zu einem generellen Rückgang der Überschüsse aus vertragsärztlicher Tätigkeit führen sollte, kann sich die Rechtslage anders darstellen.”

Somit hat der Bewertungsausschuss einen Tendenzbeschluss gegen den eigenen Sachverstand und gegen den Auftrag des BSG gefasst. Er kam zustande trotz Offenlegung der Fehler durch die Psychotherapeutenverbände, im Bewusstsein der absolut bedrohlichen Lage der psychotherapeutischen Praxen und der von diesen aufrechterhaltenen psychotherapeutischen Versorgung. Dieses Vorgehen kann damit nur als unverantwortlicher Missbrauch der Regelungskompetenz bezeichnet werden.

Wir fordern hiermit, nachdem die Selbstverwaltung uns außerhalb von Recht und Gesetz gestellt hat, alle Verantwortlichen in der Politik, allen voran das aufsichtsführende Bundesgesundheitsministerium, den Gesundheitsausschuss und die Gesundheitspolitiker der Parteien auf, umgehend einzuschreiten und nicht dem Niedergang der Psychotherapie im rechtlosen Zustand  zuzuschauen.

Angesichts bestehender Budgetzwänge muss u.E. die Politik für eine Aufstockung der ärztlichen Gesamtvergütung sorgen. Für den Aufbau der Psychotherapie unter Budgetbedingungen in der Vergangenheit und für den Ausbau und die resultierenden Leistungsausweitungen durch das Psychotherapeutengesetz müssen dringend noch Finanzierungswege gefunden werden. Die Finanzlücken können nicht in einer Gesamtvergütung zusätzlich aufgefangen werden, die ohnehin schon durch die Aufteilung in Haus- und Facharztvergütung sowie durch die medizinisch und demografisch bedingte Leistungsentwicklung unter erheblichem Druck sich befindet. Insofern stellt das widerrechtliche Handeln des Bewertungsausschusses auch eine Symptom der in der Selbstverwaltung nicht lösbaren Finanzierungsfrage dar. Vorerst richtet sich - wieder einmal - der entstandene Druck und der Schaden ganz gegen die Psychotherapeuten, die durch die Honorarmisere der vergangenen Jahre mit ihren Praxen und persönlich buchstäblich am Ende sind.

Wir fordern Sie auf: handeln Sie rasch!

 

Mit freundlichen Grüßen 

Dr. med. Birgit Clever                                                             Norbert Bowe

 


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