Die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie erhielten eben folgenden Brief des bvvp.
bvvp Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten e.V. |
An - BMG - Sozialministerien der Länder - Mitglieder des Gesundheitsausschusses - Presse |
Vorsitzende: |
Freiburg,
den 23.03.2000
Vergütung für psychotherapeutische Leistungen
der nun vorliegende Beschluss des Bewertungsausschusses Ärzte und
Krankenkassen zur Vergütung der Psychotherapeuten ist ein erschreckendes
Dokument des Versagens der Partner der Selbstverwaltung. Es dürfte in der
Geschichte dieses mit hohen regulativen Kompetenzen aus-gestatteten Organs
wohl ein bislang einmaliger Vorgang sein, dass es sich gegen
höchst-richterliche Rechtsprechung und gegen den gesetzlichen Auftrag zu
einer Beschlussfassung hat hinreißen lassen, die eklatant gegen die
bisher von diesem Gremium beachteten Grundsätze der Neutralität und des
Interessenausgleichs verstößt und die einfachsten Regeln korrekter
Berechnungsgrundlagen missachtet. Offensichtlich weil die
KBV bei einer noch angemessenen Vergütung psychotherapeutischer
Leistungen mit einem Punktwert von 10 Pf die finanziellen Belastungen für
die übrige Ärzteschaft fürchtete und weil die Krankenkassen sich vor
daraus ergebenden Forderungen der Ärzteschaft schützen wollten, kam es
zu einer unheiligen Allianz gegen die Psychotherapeuten und gegen die
psychotherapeutische Versorgung. Das BSG hatte in den Urteilen vom
20.01.99 und 25.08.99 auch auf die bedrohte Sicherstellung durch
unzureichende Vergütungen hingewiesen und auf die Verpflichtung der KVen
zu verhindern, dass die Arztgruppe der Psychotherapeuten ”existenz-fähige
Praxen nicht mehr führen kann”. Der mit dem vorliegenden Beschluss sich
errechnende bundesdurchschnittliche Punktwert von 7,5 Pf für 2000 liegt -
unter Berücksichtigung der Inflationsrate - auf Niveau der Vergütungen
des Jahres ‘93 und darunter, gegen das die Psychotherapeuten zuletzt vor
dem BSG gerade mit Erfolg geklagt hatten.
Es seien hier kurz die Einzelheiten des Beschlusses genannt.
1.
Unter Punkt 2.3 bis 2.5 werden - auch nach Einführung des Faktors 1,47 -
die Praxiskosten künstlich heruntergerechnet. Die mit Hilfe dieses
Rechenganges unterstellten Praxiskosten bei ca. 44 000,- DM sind
unrealistisch niedrig, entsprechen nicht den empirischen Daten und der
für eine maximale Auslastung zur maximalen Punktwerterzielung
erforderliche optimierten Praxisausstattung.
2.
Unter 1.1 wird zunächst die richtige Prämisse vorangestellt, die Höhe
des Punktwertes für psychotherapeutische Leistungen könne ”nur in
Abhängigkeit von der Ertrags- und Umsatzentwicklung im gesamten
vertragsärztlichen Bereich festgelegt werden.” Aber bereits im
nächsten Satz wird diese Prämisse wieder verlassen: Die Ertrags- und
Umsatzverhältnisse der Psychotherapeuten sollen verglichen werden mit der
nächstschlechtest verdienenden Arztgruppe, der hausärztlich tätigen
Allgemeinmediziner, und zwar auf der Basis von 1998
3.
Die Addition aus künstlich minimierten Praxiskosten und dem nicht mehr
für 2000 zutreffenden Einkommensniveau der hausärztlichen
Allgemeinmediziner des Jahres 1998 werden willkürlich als Soll-Umsatz der
Psychotherapeuten bezeichnet. (Punkt 2.7). Der sog. Soll-Umsatz dürfte je
nach KV zwischen 140 000,- DM und 190 000,-DM liegen.
4.
Nach Punkt 2.8 soll dieser ”Soll-Umsatz” dann durch die maximal
erreichbare Punktzahl von 2.244.600 Punkten dividiert werden, um zu dem
Mindestpunktwert nach Punkt 2.9 zu kommen. Im Ergebnis wird daraus
bundesdurchschnittlich ein Punktwert um 7,5 Pf resultieren. Diese
Rechenoperation ist unter sachlichen und betriebswirtschaftlichen
Gesichtspunkten völlig unhaltbar. Es wird damit ”Soll-Umsatz mit
Maximalumsatz gleichgesetzt. Eine vergleichbare Rechenoperation bei
anderen Arztgruppen, deren Mindestpunktwert zu ermitteln durch Division
des Durchschnittsumsatzes durch die Punktzahl der Maximalabrechner in der
eigenen Arztgruppe, würde zur Folge haben, dass man auf mindestens 20-30%
des derzeitigen ambulanten Budgets verzichten könnte.
5.
Unter Punkt 2.9 wird dann noch einmal verbindlich festgelegt, dass mehr
als 561.150 Punkte/Quartal oder 2.244.600 Punkte/Jahr nicht vergütet
werden, d.h. diese Punktzahl tatsächlich das absolute Maximum darstellt.
Das bedeutet, dass der Psychotherapeut selbst bei Maximalauslastung in
seinen besten Arbeitsjahren nicht einmal den Durchschnittsumsatz der
nächstschlechtest verdienenden Arztgruppe bekommt. Dieser
Durchschnittsumsatz der Hausärzte liegt aber noch einmal mindestens 20%
unter dem Durchschnitt einer vollausgelasteten Hausarztpraxis und 50%
unter dem Durchschnitt einer maximal ausgelasteten Hausarztpraxis. Damit trifft der
Bewertungsausschuss implizit folgende Aussage: ”Soll-Umsatz” und
Soll-Einsatz des Psychotherapeuten liegen bei dessen maximal möglicher
Auslastung. Der Therapeut hat sogar bei optimaler Auslastung nicht die
Möglichkeit, das Durchschnittseinkommen eines Hausarztes zu erreichen,
falls er mal krank wird oder älter oder er nicht maximal sondern nur
durchschnittlich arbeiten will oder kann, oder die minimalisierte
Praxisausstattung ihm eine Maximalauslastung gar nicht erlaubt. Ein einmal
eingetretenes Defizit kann er nie mehr ausgleichen, auch wenn er noch
soviel arbeitet. Für jeden
Psychotherapeuten gilt: sein ”Soll” heißt dauerhaft maximal zu
arbeiten gegen eine dauerhaft weit unterdurchschnittliche Entlohnung - mit
der Möglichkeit sich wahlweise persönlich und/oder wirtschaftlich zu
ruinieren. Festzuhalten ist, dass
der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss widerrechtlich und gegen das
Gesetz den Punktwert für die Psychotherapeuten heruntermanipuliert. Das
Bundessozialgericht lässt in seiner Urteilsbegründung für derartig
willkürliche Umberechnungen keine Möglichkeiten zu. Es leitet die
Stützungsverpflichtung aus dem Grundgesetz her. Nur für den Fall eines
allgemeinen Rückganges der Überschüsse aus vertragsärztlicher
Tätigkeit lässt es eine - dann auch nur proportional vorzunehmende -
Abweichung von der Stützungsverpflichtung auf 10 Pfennig zu: ”Soweit
die Entwicklung der Honorierung ärztlicher Leistungen in der Zukunft .zu
einem generellen Rückgang der Überschüsse aus vertragsärztlicher
Tätigkeit führen sollte, kann sich die Rechtslage anders darstellen.” Somit hat der
Bewertungsausschuss einen Tendenzbeschluss gegen den eigenen Sachverstand
und gegen den Auftrag des BSG gefasst. Er kam zustande trotz Offenlegung
der Fehler durch die Psychotherapeutenverbände, im Bewusstsein der
absolut bedrohlichen Lage der psychotherapeutischen Praxen und der von
diesen aufrechterhaltenen psychotherapeutischen Versorgung. Dieses
Vorgehen kann damit nur als unverantwortlicher Missbrauch der
Regelungskompetenz bezeichnet werden. Wir fordern hiermit,
nachdem die Selbstverwaltung uns außerhalb von Recht und Gesetz gestellt
hat, alle Verantwortlichen in der Politik, allen voran das
aufsichtsführende Bundesgesundheitsministerium, den Gesundheitsausschuss
und die Gesundheitspolitiker der Parteien auf, umgehend einzuschreiten und
nicht dem Niedergang der Psychotherapie im rechtlosen Zustand
zuzuschauen. Angesichts bestehender
Budgetzwänge muss u.E. die Politik für eine Aufstockung der ärztlichen
Gesamtvergütung sorgen. Für den Aufbau der Psychotherapie unter
Budgetbedingungen in der Vergangenheit und für den Ausbau und die
resultierenden Leistungsausweitungen durch das Psychotherapeutengesetz
müssen dringend noch Finanzierungswege gefunden werden. Die Finanzlücken
können nicht in einer Gesamtvergütung zusätzlich aufgefangen werden,
die ohnehin schon durch die Aufteilung in Haus- und Facharztvergütung
sowie durch die medizinisch und demografisch bedingte Leistungsentwicklung
unter erheblichem Druck sich befindet. Insofern stellt das widerrechtliche
Handeln des Bewertungsausschusses auch eine Symptom der in der
Selbstverwaltung nicht lösbaren Finanzierungsfrage dar. Vorerst richtet
sich - wieder einmal - der entstandene Druck und der Schaden ganz gegen
die Psychotherapeuten, die durch die Honorarmisere der vergangenen Jahre
mit ihren Praxen und persönlich buchstäblich am Ende sind. Wir fordern Sie auf:
handeln Sie rasch!
Mit freundlichen
Grüßen Dr. med. Birgit
Clever
Norbert Bowe
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