Zurück


VERBAND PSYCHOLOGISCHER PSYCHOTHERAPEUTINNEN UND PSYCHOTHERAPEUTEN - VPP
IM BERUFSVERBAND DEUTSCHER PSYCHOLOGEN (BDP)  e. V.
Kaiserplatz 3  
53113 Bonn  
Tel:  0228-20123-0  
Fax:
0228-20123-22
 

e-Mail:   info@vpp.org       internet:   http:// www.vpp.org                                                                                         

 

An den Deutschen Bundestag
Ausschuss für Gesundheit
-Sekretariat-
Platz der Republik
11011 Berlin

Kontaktadresse:

Dipl.-Psych. Heinrich Bertram
stellvertr. Bundesvorsitzender
Winterfeldstr. 24
10781 Berlin
Tel.: 030-2154404
Fax 030-21996101
bertram@heinrichbert
ram.de

                                                                                                                                                                                                   Berlin, den 01.07.00

Anhörung des Ausschusses für Gesundheit am 5. Juli 2000:

  • FDP-Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung einer angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
  • Antrag der PDS-Fraktion: Existenzsichernde Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen gewährleisten

Stellungnahme

I. Grundsätzliches:

 Die Honorarsituation der kassenfinanzierten Psychotherapie war schon in der Vergangenheit unzulänglich. Nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes ist sie so katastrophal geworden, dass die psychotherapeutische Versorgung der Versicherten unmittelbar vor dem Aus zu stehen droht.

Die Säulen der vertragsärztlichen Selbstverwaltung – kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen – sind nicht bereit oder nicht in der Lage, ausreichende Honorarmittel vorzusehen. Die Aufsichtsbehörden wollen oder können keine Lösung erzwingen.

In dieser Situation ist der Gesetzgeber gefordert.

Ein wichtiger Schritt wurde mit der neuen SGB-V-Vorschrift zur Honorierung der zeitgebundenen Psychotherapieleistungen gemacht. Allerdings zeigen die bisherigen Verhandlungen der Vertragsparteien, dass die Regelung nicht genügt, um  künftig wirtschaftlich ausreichende Honorare zu gewährleisten. Auf die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen im Jahre 1999 hat die Neuregelung ohnehin keinen Einfluss.

Trotz der Erhöhung durch das GKV-SolG ist das Vergütungsvolumen für 1999 nach KBV-Berechnungen um 1,9 Milliarden DM zu niedrig. Ab dem Jahr 2000 ergibt sich eine Unterdeckung von 1,5 bis 2 Milliarden DM jährlich, wenn der Punktwert von 10 Pf. angesetzt wird, den das BSG schon für 1993 als notwendig erkannt hat. 

Das sind erhebliche Beträge, die aber im Verhältnis zum Gesamtumfang des Gesundheitssystems gesehen werden müssen. Zu berücksichtigen ist, dass es hier um die Investition in ein effektiveres und letztlich kostengünstigeres Gesundheitssystem geht.

Das Psychotherapeutengesetz soll eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Der Gesetzgeber hat dies durch die Anerkennung der Psychotherapeuten als zweitem akademischen Heilberufsstand grundsätzlich verwirklicht und insbesondere die Integration derjenigen Behandler in das GKV-Sachleistungssystem herbeigeführt, die bisher im Kostenerstattungsverfahren zur Versichertenversorgung beitrugen.

Die überfällig gewordene Notwendigkeit eines Psychotherapeutengesetzes ist unbestritten. Die gesetzgeberischen Webfehler des PsychThG vom 16.6.1998 werden aber immer deutlicher.

Exemplarisch seien hier drei Punkte herausgehoben:

1.)    Die vom Bundesausschuss erlassenen Richtlinien vernachlässigen den Stand der Wissenschaft der neuen akademischen Heilberufe. Die Definitionshoheit des Bundesausschusses zur Bestimmung von GKV-Sachleistungen der psychotherapeutischen Krankenbehandlung bedarf der Korrektur. 

2.)    Die Gleichstellung des neuen mit dem ärztlichen Heilberuf auf allen für die Psychotherapie relevanten Feldern ist noch nicht gelungen.

3.)    Bisher sind Psychotherapeuten sowohl auf dem Weg zur Integration (Zulassungsverfahren) wie auch nach der vertragspsychotherapeutischen Zulassung berufsexistenziell ökonomisch gefährdet. Die psychotherapeutische Versichertenversorgung ist nicht stabil sichergestellt.

Punkt 3 ist Gegenstand der zu erörternden Anträge.

II.  Bemerkungen zur Anwendung von Artikel 10 EG-PsychThG

Ein besonderes Existenzproblem erleiden viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten während des Antragsverfahrens auf die bedarfsunabhängige Zulassung. In vielen Fällen wird der Eintritt der Rechtskraft von Zulassungen oder Ermächtigungen durch mutwillige Widersprüche und Klagen verzögert.

Nach unserem Verständnis gibt Artikel 10 EG-PsychThG den Betroffenen das Recht, überleitungsweise an der Versichertenversorgung weiter teilzunehmen, bis rechtskräftig über den Zulassungs- oder Ermächtigungsantrag entschieden ist. Dabei dürfte selbstverständlich sein, dass denjenigen, die bisher im Kostenerstattungsverfahren teilgenommen haben, nicht entgegengehalten werden kann, die frühere strukturelle Unterversorgung sei durch die ersten Zulassungen und Ermächtigungen nach § 95 Abs. 10/11 SGB V überwunden. So wurde es im Frühjahr 1999 auch durchweg von den Krankenkassen gehandhabt (vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 23.12.98).

Unser Verband hat seit Anfang 1999 nachdrücklich auf die Rechtslage hingewiesen, dass diese Handhabung nicht bis 30.4.99 bzw. bis zum Datum der Entscheidung des Zulassungsausschusses befristet sein könne. Wir haben u.a. ein entsprechendes Rechtsgutachten von Prof. Dr. K. Redeker öffentlich zur Verfügung gestellt.

Ende Dezember 1999 hat das Bundesverfassungsgericht unsere Auffassung bestätigt, wonach Artikel 10 EG-PsychThG verfassungskonform so zu verstehen ist, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Zulassungs- oder Ermächtigungsantrag wirksam bleibt.

Seither wird Artikel 10 EG-PsychThG von den Krankenkassen so ausgelegt, dass nur ehemalige Delegationspsychologen davon erfasst seien, weil nur diese eine zulassungsähnliche Rechtsstellung schon vor dem 1.1.99 gehabt hätten Dabei ignorieren die Krankenkassen,

-  dass das BVerfG sich mit der Anwendung des Art. 10 EG-PsychThG auf Kostenerstattungsanträge nicht zu befassen hatte und auch nicht etwa in einem obiter dictum gesondert befasst hat, aber die verfassungskonforme Art.-10-Auslegung in dem maßgeblichen Rechtssatz so formuliert hat, dass zwischen Delegation und Kostenerstattung gerade nicht unterschieden wird;

-  dass der Gesetzgeber in § 95 Abs. 10/11 SGB V und in Art. 10 EG-PsychThG einen „Teilnahme“-Begriff gewählt hat, der die Teilnahme an der Versichertenversorgung im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens einbezieht. Die Krankenkassen ignorieren auch, dass die ausdrückliche Einbeziehung von Ermächtigungsanträgen in Art. 10 EG-PsychThG die Betroffenen in die Überleitungsvorschrift einbezogen hat. Anträge auf Ermächtigung i.S. von § 95 Abs. 11 SGB V waren nur von Personen zu stellen, die im Kostenerstattungsverfahren an der Versichertenversorgung teilgenommen hatten.

Auch die Änderung des Art. 11 EG-PsychThG durch das GKV-SolG, womit die Honorare im Rahmen der Kostenerstattung im Jahre 1999 auf die Höhe der Honorare in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung beschränkt wurden, bestätigt die Absicht des Gesetzgebers, die ehemaligen Kostenerstattungspsychotherapeuten, die den Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung oder Ermächtigung geltend gemacht haben, überleitungsweise wie Zugelassene in die Versorgung einzubeziehen.

Wir bitten den Ausschuss für Gesundheit, sich für eine sprachliche Überarbeitung des Art. 10 EG-PsychThG einzusetzen, um zu verdeutlichen, dass bei Kostenerstattungsanträgen für Behandlungen durch Psychotherapeuten, die unter die Überleitungsvorschrift fallen, keine Störung der freien Psychotherapeutenwahl durch Verweis auf bereits rechtskräftig zugelassene oder ermächtigte Psychotherapeuten erfolgen darf.

III.  Zu den einzelnen Vorschlägen des Gesetzesentwurfs der FDP
a.  zu Artikel 1 und 2:

Artikel 11 EG-PsychThG ist am 31.12.1999 außer Kraft getreten. Ob die rückwirkende Änderung eines rechtlich nicht mehr bestehenden Gesetzes möglich ist, ist eine Rechtsfrage, zu der wir uns nicht äußern möchten.

In der Sache begrüßen wir den Vorschlag, die Vertragspartner gemeinsam zur Erhöhung der Gesamtvergütung zu verpflichten, die für 1999 aufzuwenden ist. Im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 26.1.1999, 25.8.1999 und 26.1.2000 regen wir an, anstelle des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessene Vergütung“ für das Jahr 1999 den Punktwert (10 Pf.) festzulegen.

Dies würde neben der wirtschaftlichen Absicherung der psychotherapeutischen Versorgung auch dem Rechtsfrieden dienen, da sich die unzähligen Widersprüche gegen Honorarbescheide für 1999 erübrigen würden.

Die mit dem GKV-SolG vorgenommene Anhebung des Psychotherapiebudgets für 1999 war ein Schritt in die richtige Richtung, hat sich aber als höchst unzureichend erwiesen. Damit lässt sich nach Berechnung der KBV lediglich ein durchschnittlicher Jahresumsatz von DM 77 000 bei Vollzeittätigkeit erreichen. Dem stehen Praxiskosten von durchschnittlich DM 65.000 gegenüber.

Nach einer im Ergebnis etwas günstiger lautenden Untersuchung aus dem KV-Bezirk Südbaden können Psychotherapeuten einen Überschuss von nur 24 % des Vertragsärztedurchschnitts erzielen.

Auf die vielfach vorgetragenen Gründe (vor allem die falschen Bezugsjahre), weshalb das Vergütungsvolumen nach Art 11 EG-PsychThG völlig unzureichend ausgefallen und auch durch das GKV-SolG nicht hinreichend erhöht worden ist, soll hier verwiesen, aber nicht erneut eingegangen werden.

Das Budgetplanungsverfahren bringt es mit sich, dass das für das Jahr 1999 von den Krankenkassen tatsächlich zu erbringende Budget auch die ins Budget 2000 einzustellende Geldmenge bestimmt.

 

b. zu Artikel 3 Nr. 1 - 3

Die Einführung einer Selbstbeteiligung der Psychotherapiepatienten kann nicht als sinnvoll angesehen werden:

Gesundheitspolitisch würde die Einführung der Selbstbeteiligung für Psychotherapie eine Zurücksetzung psychisch Kranker gegenüber somatisch Kranken bedeuten. Psychotherapie würde zu einer weniger nötigen Behandlung abgewertet. Das Sachleistungsprinzip der Krankenbehandlung würde durchbrochen.

Wir sehen auch die Gefahr, dass eine einmal eingeführte Selbstbeteiligung künftigen Erhöhungen unterliegen wird und daher Psychotherapie zunehmend den Charakter einer Luxusleistung erhalten könnte, die für sozial Schwache nicht mehr erreichbar ist. Die Einführung der Selbstbeteiligung und deren mögliche Erhöhung würde zugleich eine Bestandsunsicherheit für Psychotherapeutenpraxen mit sich bringen, die sich auf die Versorgung der Versicherten nachteilig auswirkt.

Finanziell trägt die vorgeschlagene Selbstbeteiligung kaum etwas zur Sicherstellung der Krankenversorgung und zur Beitragssatzstabilität bei, da zusätzliche Verwaltungskosten entstehen.

 

c. zu Artikel 3 Nr. 4

Eine Streichung des neuen § 65b SGB V lehnen wir ab. Wir halten die Regelung für zweckmäßig.

Eine Verbesserung der Patienten- und Verbraucherberatung sehen wir als durchaus sinnvolle Aufgabe an. Sie muß auch im Bereich der GKV durch verbrauchernahe Verbände und Einrichtungen erfolgen, die nicht unbedingt zugleich einseitige Interessen der Vertragsärzte und –psychotherapeuten oder der Krankenkassen vertreten. 

Im Übrigen sehen wir keinen Zusammenhang mit der angemessenen Vergütung der Psychotherapeuten, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Gegenfinanzierung“; denn die Leistungen nach § 65b SGB V halten wir für geeignet, zur Kostensenkung beizutragen.

 

d. zu Artikel 3 Nr. 5

Die zur Begründung genannte Klarstellung  ist in der Sache konsequent und wird von uns begrüßt.

Wir haben aber Bedenken, ob der Gesetzesvorschlag nicht eine (bereits zur Frage der Selbstbeteiligung angesprochene) Tendenz fördert, Psychotherapieleistungen aus dem Bereich der Krankenbehandlung hinauszuregeln.

e.  zu Artikel 3 Nr. 6

Der Ergänzungsvorschlag zur Neuregelung in § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V wird von uns befürwortet. Wir sehen darin eine zweckmäßige und nötige Konkretisierung der geltenden Bestimmung.

Bereits in den bisherigen Verhandlungen zur Honorierung ab 1.1.2000 hat sich gezeigt, dass die Vertragspartner einer gesetzlichen Orientierungs- und Handlungshilfe bedürfen, wenn nicht erneut riskiert werden soll, in mehreren Jahren rückwirkend eine höchstrichterliche Korrektur verkraften zu müssen. Nach den vorliegenden BSG-Urteilen muss damit gerechnet werden, dass praktisch alle Psychotherapieleistungser­bringer gegen die Honorarbescheide für das Jahr 2000 vorgehen werden, wenn kein Mindestpunktwert von 10 Pf. erreicht wird.

Im Hinblick auf die Verminderung der Spannungen im Zusammenhang mit der Integration der Psychotherapeuten in die Kassenärztlichen Vereinigungen halten wir den Vorschlag des FDP-Entwurfs für besonders dringlich, den „Verteilungskampf“ zwischen Ärzten und Psychotherapeuten dadurch zu beenden, dass die Psychotherapeutenleistungen (und die Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte) aus dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung ausgeklammert werden. Die von der Vertreterversammlung der KBV vorgeschlagene und von einigen Kassenärztlichen Vereinigungen geplante Einrichtung eines eigenen Psychotherapeutentopfes würde nur bei festem Honorarwert und außerhalb der Budgetierung den Honorarverteilungskonflikt überwinden.

Wegen der überwiegend zeitgebundenen, nicht vermehrbaren Leistungen in der psychotherapeutischen Versorgung ist die Ermittlung des notwendigen Honorarvolumens äußerst verlässlich und ohne das Risiko unkalkulierbarer Ausweitung möglich.

 

IV.  Zum Antrag der PDS

Falls sich eine nachträgliche Änderung des außer Kraft getretenen Art. 11 EG-PsychThG im Sinne des FDP-Entwurfs als nicht möglich erweist, bliebe gleichwohl die Notwendigkeit bestehen, das Vergütungsvolumen für 1999 dem tatsächlichen Honorarbedarf anzupassen. Das auch deswegen, weil die Honorarentwicklung des Jahres 2000 und der Folgejahre vom tatsächlichen Aufwand für 1999 abhängt.

Würde auf die baldige Anpassung zunächst verzichtet, wäre eine teure Prozesslawine zu erwarten, an der praktisch alle Psychotherapeuten beteiligt wären und an deren Ende mit großer Gewissheit die höchstrichterliche Anordnung ausreichender Honorare stehen würde. Durch zusätzliche Prozess- und Schadensersatzkosten würde der Mittelbedarf dann aber deutlich über dem jetzt Erforderlichen liegen.

Wir unterstützen daher den Antrag an den Bundestag, die Bundesregierung mit der Gewährleistung existenzsichernder Vergütung unter Heranziehung beider Vertragsparteien zu beauftragen.

Der Antrag hebt zu Recht die extrem dramatische Entwicklung in den neuen Bundesländern und Berlin besonders hervor.

B ertram

Stellvertretender Bundesvorsitzender


Zurück