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VERBAND
PSYCHOLOGISCHER PSYCHOTHERAPEUTINNEN
UND
PSYCHOTHERAPEUTEN - VPP e-Mail: info@vpp.org internet: http:// www.vpp.org |
An den
Deutschen Bundestag |
Kontaktadresse:
Dipl.-Psych. Heinrich Bertram |
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I.
Grundsätzliches:
Die
Honorarsituation der kassenfinanzierten Psychotherapie war schon in der
Vergangenheit unzulänglich. Nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes
ist sie so katastrophal geworden, dass die psychotherapeutische Versorgung der
Versicherten unmittelbar vor dem Aus zu stehen droht.
Die
Säulen der vertragsärztlichen Selbstverwaltung – kassenärztliche
Vereinigungen und Krankenkassen – sind nicht bereit oder nicht in der Lage,
ausreichende Honorarmittel vorzusehen. Die Aufsichtsbehörden wollen oder
können keine Lösung erzwingen.
In
dieser Situation ist der Gesetzgeber gefordert.
Ein
wichtiger Schritt wurde mit der neuen SGB-V-Vorschrift zur Honorierung der
zeitgebundenen Psychotherapieleistungen gemacht. Allerdings zeigen die
bisherigen Verhandlungen der Vertragsparteien, dass die Regelung nicht genügt,
um künftig wirtschaftlich
ausreichende Honorare zu gewährleisten. Auf die Vergütung
psychotherapeutischer Leistungen im Jahre 1999 hat die Neuregelung ohnehin
keinen Einfluss.
Trotz
der Erhöhung durch das GKV-SolG ist das Vergütungsvolumen für 1999 nach
KBV-Berechnungen um 1,9 Milliarden DM zu niedrig. Ab dem Jahr 2000 ergibt sich
eine Unterdeckung von 1,5 bis 2 Milliarden DM jährlich, wenn der Punktwert von
10 Pf. angesetzt wird, den das BSG schon für 1993 als notwendig erkannt hat.
Das
sind erhebliche Beträge, die aber im Verhältnis zum Gesamtumfang des
Gesundheitssystems gesehen werden müssen. Zu berücksichtigen ist, dass es hier
um die Investition in ein effektiveres
und letztlich kostengünstigeres Gesundheitssystem geht.
Das Psychotherapeutengesetz
soll eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung
sicherstellen. Der Gesetzgeber hat dies durch die Anerkennung der
Psychotherapeuten als zweitem akademischen Heilberufsstand grundsätzlich
verwirklicht und insbesondere die Integration derjenigen Behandler in das
GKV-Sachleistungssystem herbeigeführt, die bisher im Kostenerstattungsverfahren
zur Versichertenversorgung beitrugen.
Die überfällig gewordene Notwendigkeit eines Psychotherapeutengesetzes ist unbestritten. Die gesetzgeberischen Webfehler des PsychThG vom 16.6.1998 werden aber immer deutlicher.
Exemplarisch
seien hier drei Punkte herausgehoben:
1.)
Die vom Bundesausschuss erlassenen Richtlinien vernachlässigen den Stand
der Wissenschaft der neuen akademischen Heilberufe. Die Definitionshoheit des
Bundesausschusses zur Bestimmung von GKV-Sachleistungen der
psychotherapeutischen Krankenbehandlung bedarf der Korrektur.
2.)
Die Gleichstellung des neuen mit dem ärztlichen Heilberuf auf allen für
die Psychotherapie relevanten Feldern ist noch nicht gelungen.
3.)
Bisher sind Psychotherapeuten sowohl auf dem Weg zur Integration
(Zulassungsverfahren) wie auch nach der vertragspsychotherapeutischen Zulassung
berufsexistenziell ökonomisch gefährdet. Die psychotherapeutische
Versichertenversorgung ist nicht stabil sichergestellt.
Punkt
3 ist Gegenstand der zu erörternden Anträge.
Ein
besonderes Existenzproblem erleiden viele Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten während des Antragsverfahrens auf die bedarfsunabhängige
Zulassung. In vielen Fällen wird der Eintritt der Rechtskraft von Zulassungen
oder Ermächtigungen durch mutwillige Widersprüche und Klagen verzögert.
Nach
unserem Verständnis gibt Artikel 10 EG-PsychThG den Betroffenen das Recht,
überleitungsweise an der Versichertenversorgung weiter teilzunehmen, bis
rechtskräftig über den Zulassungs- oder Ermächtigungsantrag entschieden ist.
Dabei dürfte selbstverständlich sein, dass denjenigen, die bisher im
Kostenerstattungsverfahren teilgenommen haben, nicht entgegengehalten werden
kann, die frühere strukturelle Unterversorgung sei durch die ersten Zulassungen
und Ermächtigungen nach § 95 Abs. 10/11 SGB V überwunden. So wurde es im
Frühjahr 1999 auch durchweg von den Krankenkassen gehandhabt (vgl.
Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 23.12.98).
Unser
Verband hat seit Anfang 1999 nachdrücklich auf die Rechtslage hingewiesen, dass
diese Handhabung nicht bis 30.4.99 bzw. bis zum Datum der Entscheidung des
Zulassungsausschusses befristet sein könne. Wir haben u.a. ein entsprechendes
Rechtsgutachten von Prof. Dr. K. Redeker öffentlich zur Verfügung gestellt.
Ende
Dezember 1999 hat das Bundesverfassungsgericht unsere Auffassung bestätigt,
wonach Artikel 10 EG-PsychThG verfassungskonform so zu verstehen ist, dass er
bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Zulassungs- oder
Ermächtigungsantrag wirksam bleibt.
Seither wird Artikel 10
EG-PsychThG von den Krankenkassen so ausgelegt, dass nur ehemalige
Delegationspsychologen davon erfasst seien, weil nur diese eine
zulassungsähnliche Rechtsstellung schon vor dem 1.1.99 gehabt hätten Dabei
ignorieren die Krankenkassen,
-
dass das BVerfG sich mit der Anwendung des Art. 10 EG-PsychThG auf
Kostenerstattungsanträge nicht zu befassen hatte und auch nicht etwa in einem
obiter dictum gesondert befasst hat, aber die verfassungskonforme
Art.-10-Auslegung in dem maßgeblichen Rechtssatz so formuliert hat, dass
zwischen Delegation und Kostenerstattung gerade nicht unterschieden wird;
- dass der Gesetzgeber in § 95 Abs. 10/11 SGB V und in Art. 10 EG-PsychThG einen „Teilnahme“-Begriff gewählt hat, der die Teilnahme an der Versichertenversorgung im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens einbezieht. Die Krankenkassen ignorieren auch, dass die ausdrückliche Einbeziehung von Ermächtigungsanträgen in Art. 10 EG-PsychThG die Betroffenen in die Überleitungsvorschrift einbezogen hat. Anträge auf Ermächtigung i.S. von § 95 Abs. 11 SGB V waren nur von Personen zu stellen, die im Kostenerstattungsverfahren an der Versichertenversorgung teilgenommen hatten.
Auch die Änderung des Art. 11 EG-PsychThG durch das GKV-SolG, womit die Honorare im Rahmen der Kostenerstattung im Jahre 1999 auf die Höhe der Honorare in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung beschränkt wurden, bestätigt die Absicht des Gesetzgebers, die ehemaligen Kostenerstattungspsychotherapeuten, die den Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung oder Ermächtigung geltend gemacht haben, überleitungsweise wie Zugelassene in die Versorgung einzubeziehen.
Wir bitten den Ausschuss für Gesundheit, sich für eine sprachliche Überarbeitung des Art. 10 EG-PsychThG einzusetzen, um zu verdeutlichen, dass bei Kostenerstattungsanträgen für Behandlungen durch Psychotherapeuten, die unter die Überleitungsvorschrift fallen, keine Störung der freien Psychotherapeutenwahl durch Verweis auf bereits rechtskräftig zugelassene oder ermächtigte Psychotherapeuten erfolgen darf. |
Artikel
11 EG-PsychThG ist am 31.12.1999 außer Kraft getreten. Ob die rückwirkende
Änderung eines rechtlich nicht mehr bestehenden Gesetzes möglich ist, ist eine
Rechtsfrage, zu der wir uns nicht äußern möchten.
In
der Sache begrüßen wir den Vorschlag, die Vertragspartner gemeinsam zur
Erhöhung der Gesamtvergütung zu verpflichten, die für 1999 aufzuwenden ist.
Im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 26.1.1999, 25.8.1999
und 26.1.2000 regen wir an, anstelle des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessene
Vergütung“ für das Jahr 1999 den Punktwert (10 Pf.) festzulegen.
Dies
würde neben der wirtschaftlichen Absicherung der psychotherapeutischen
Versorgung auch dem Rechtsfrieden dienen, da sich die unzähligen Widersprüche
gegen Honorarbescheide für 1999 erübrigen würden.
Die
mit dem GKV-SolG vorgenommene Anhebung des Psychotherapiebudgets für 1999 war
ein Schritt in die richtige Richtung, hat sich aber als höchst unzureichend
erwiesen. Damit lässt sich nach Berechnung der KBV lediglich ein
durchschnittlicher Jahresumsatz von DM 77 000 bei Vollzeittätigkeit erreichen.
Dem stehen Praxiskosten von durchschnittlich DM 65.000 gegenüber.
Nach
einer im Ergebnis etwas günstiger lautenden Untersuchung aus dem KV-Bezirk
Südbaden können Psychotherapeuten einen Überschuss von nur 24 % des
Vertragsärztedurchschnitts erzielen.
Auf
die vielfach vorgetragenen Gründe (vor allem die falschen Bezugsjahre), weshalb
das Vergütungsvolumen nach Art 11 EG-PsychThG völlig unzureichend ausgefallen
und auch durch das GKV-SolG nicht hinreichend erhöht worden ist, soll hier
verwiesen, aber nicht erneut eingegangen werden.
Das
Budgetplanungsverfahren bringt es mit sich, dass das für das Jahr 1999 von den
Krankenkassen tatsächlich zu erbringende Budget auch die ins Budget 2000
einzustellende Geldmenge bestimmt.
b.
zu Artikel 3 Nr. 1 - 3
Die
Einführung einer Selbstbeteiligung der Psychotherapiepatienten kann nicht als
sinnvoll angesehen werden:
Gesundheitspolitisch
würde die Einführung der Selbstbeteiligung für Psychotherapie eine
Zurücksetzung psychisch Kranker gegenüber somatisch Kranken bedeuten.
Psychotherapie würde zu einer weniger nötigen Behandlung abgewertet. Das
Sachleistungsprinzip der Krankenbehandlung würde durchbrochen.
Wir
sehen auch die Gefahr, dass eine einmal eingeführte Selbstbeteiligung
künftigen Erhöhungen unterliegen wird und daher Psychotherapie zunehmend den
Charakter einer Luxusleistung erhalten könnte, die für sozial Schwache nicht
mehr erreichbar ist. Die Einführung der Selbstbeteiligung und deren mögliche
Erhöhung würde zugleich eine Bestandsunsicherheit für Psychotherapeutenpraxen
mit sich bringen, die sich auf die Versorgung der Versicherten nachteilig
auswirkt.
Finanziell
trägt die vorgeschlagene Selbstbeteiligung kaum etwas zur Sicherstellung der
Krankenversorgung und zur Beitragssatzstabilität bei, da zusätzliche
Verwaltungskosten entstehen.
c.
zu Artikel 3 Nr. 4
Eine Streichung des neuen § 65b SGB V lehnen wir ab. Wir halten die Regelung für zweckmäßig.
Eine
Verbesserung der Patienten- und Verbraucherberatung sehen wir als durchaus
sinnvolle Aufgabe an. Sie muß auch im Bereich der GKV durch verbrauchernahe
Verbände und Einrichtungen erfolgen, die nicht unbedingt zugleich einseitige
Interessen der Vertragsärzte und –psychotherapeuten oder der Krankenkassen
vertreten.
Im Übrigen sehen wir keinen Zusammenhang mit der angemessenen Vergütung der Psychotherapeuten, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Gegenfinanzierung“; denn die Leistungen nach § 65b SGB V halten wir für geeignet, zur Kostensenkung beizutragen.
d.
zu Artikel 3 Nr. 5
Die zur Begründung genannte Klarstellung ist in der Sache konsequent und wird von uns begrüßt.
Wir haben aber Bedenken, ob der Gesetzesvorschlag nicht eine (bereits zur Frage der Selbstbeteiligung angesprochene) Tendenz fördert, Psychotherapieleistungen aus dem Bereich der Krankenbehandlung hinauszuregeln.
e.
zu Artikel 3 Nr. 6
Der
Ergänzungsvorschlag zur Neuregelung in § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V wird von uns
befürwortet. Wir sehen darin eine zweckmäßige und nötige Konkretisierung der
geltenden Bestimmung.
Bereits
in den bisherigen Verhandlungen zur Honorierung ab 1.1.2000 hat sich gezeigt,
dass die Vertragspartner einer gesetzlichen Orientierungs- und Handlungshilfe
bedürfen, wenn nicht erneut riskiert werden soll, in mehreren Jahren
rückwirkend eine höchstrichterliche Korrektur verkraften zu müssen. Nach den
vorliegenden BSG-Urteilen muss damit gerechnet werden, dass praktisch alle
Psychotherapieleistungserbringer gegen die Honorarbescheide für das Jahr 2000
vorgehen werden, wenn kein Mindestpunktwert von 10 Pf. erreicht wird.
Im
Hinblick auf die Verminderung der Spannungen im Zusammenhang mit der Integration
der Psychotherapeuten in die Kassenärztlichen Vereinigungen halten wir den
Vorschlag des FDP-Entwurfs für besonders dringlich, den „Verteilungskampf“
zwischen Ärzten und Psychotherapeuten dadurch zu beenden, dass die
Psychotherapeutenleistungen (und die Leistungen der ausschließlich
psychotherapeutisch tätigen Ärzte) aus dem budgetierten Teil der
Gesamtvergütung ausgeklammert werden. Die von der Vertreterversammlung der KBV
vorgeschlagene und von einigen Kassenärztlichen Vereinigungen geplante
Einrichtung eines eigenen Psychotherapeutentopfes würde nur bei festem
Honorarwert und außerhalb der Budgetierung den Honorarverteilungskonflikt
überwinden.
Wegen
der überwiegend zeitgebundenen, nicht vermehrbaren Leistungen in der
psychotherapeutischen Versorgung ist die Ermittlung des notwendigen
Honorarvolumens äußerst verlässlich und ohne das Risiko unkalkulierbarer
Ausweitung möglich.
Falls
sich eine nachträgliche Änderung des außer Kraft getretenen Art. 11
EG-PsychThG im Sinne des FDP-Entwurfs als nicht möglich erweist, bliebe
gleichwohl die Notwendigkeit bestehen, das Vergütungsvolumen für 1999 dem
tatsächlichen Honorarbedarf anzupassen. Das auch deswegen, weil die
Honorarentwicklung des Jahres 2000 und der Folgejahre vom tatsächlichen Aufwand
für 1999 abhängt.
Würde
auf die baldige Anpassung zunächst verzichtet, wäre eine teure Prozesslawine
zu erwarten, an der praktisch alle Psychotherapeuten beteiligt wären und an
deren Ende mit großer Gewissheit die höchstrichterliche Anordnung
ausreichender Honorare stehen würde. Durch zusätzliche Prozess- und
Schadensersatzkosten würde der Mittelbedarf dann aber deutlich über dem jetzt
Erforderlichen liegen.
Wir
unterstützen daher den Antrag an den Bundestag, die Bundesregierung mit der
Gewährleistung existenzsichernder Vergütung unter Heranziehung beider
Vertragsparteien zu beauftragen.
Der
Antrag hebt zu Recht die extrem dramatische Entwicklung in den neuen
Bundesländern und Berlin besonders hervor.
B
Stellvertretender Bundesvorsitzender