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Aus den Quellen einer wissenschaftlichen Arbeit von Gerd Böttcher zur Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie
Der nachfolgende Text darf nur mit Zustimmung der Berliner Blätter kopiert und weiter verbreitet werden (redaktion@bbpp.org)
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Berufspolitik aus dem Nachkriegsjahr 1947
Provinzialregierung
Mark Brandenburg
Abt.VIII Provinzialgesundheitsamt
Dr.Gl.
Potsdam am 30. April 1947
An die Deutsche Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen
in der sowjetischen Okkupationszone Abt.IV
Berlin
Betrifft: Anregung zur Schaffung einer Approbation als Seelenarzt
In der klassischen und vorklassischen Zeit, als man die Kranken von Dämonen besessen glaubte, sind die Priester zugleich Ärzte gewesen. Daraus hat sich bis zur Gegenwart der Begriff "Seelsorger" für Priester abgeleitet und es wäre gut, wenn die Priester weniger Theologen als Seelsorger geblieben wären, weil die Entwicklung der Seelenkunde erwiesen hat, daß die Menschheit noch immer von dämonischen Kräften des seelisch Unbewußten beherrscht und in kapitalistischer Raffgier zu den Weltkatastrophen der letzten Jahrzehnte geführt wurde.
Anderseits, hat die mechanistische Entwicklung der Medizin aus der Heilkunst eine Heilkunde, aus den Körper und Seele betreuenden Hausärzten spezialistische Mediziner solange gefördert, bis die Entdeckung der Leib-Seele-Einheit zur Entdeckung des vitalistischen Primats der Seele führte.
Heraklit, Paracelsus, Fechner, Freud, Adler, Jung bezeichnen die Stufenleiter des Aufbaus der neuen Seelenkunde. Das waren Ärzte und Philosophen und jeder der sich mit Psychotherapie befaßt, muß aus philosophischer Erkenntnis dazu berufen sein. Der Altmeister der modernen Wissenschaft der Psychoanalyse, Prof. Dr. Sigmund Freud, erklärte wiederholt, daß ihm für diesen Beruf der Psychologe geeigneter erscheine, als der im mechanistischen Geist geschulte Mediziner, Neurologe und Psychiater, der immer noch die medizinischen Fakultäten beherrscht.
Es haben sich deshalb Psychologen, Pädagogen und Theologen, die sich zur Seelsorge berufen fühlten dem Studium der Psychotherapie gewidmet, obwohl sie von den medizinischen Fakultäten und den Gesundheitsämtern nicht als Seelenärzte anerkannt werden konnten, weil der arztähnliche Titel nur approbierten Ärzten, Zahn- und Tierärzten zustand. Sie mußten als Heilkundige mittlerer Heilberufe registriert werden.
Die Heilkundigen und Dentisten hatten aber in Deutschland nur deshalb eine Existenzmöglichkeit, weil 1864 die Gewerbefreiheit auch auf die Heilkunde ausgedehnt wurde und dadurch die mittelalterliche Kurpfuscherei aufblühen konnte. Das empfand niemand so schmerzlich als die Heilkundigen selbst, die sich durch eine straffe Organisation dieser unerwünschten Begleiterscheinung zu entledigen suchten.
Als jedoch 1933 die Nazis zur Herrschaft gelangten, protektorierte der Stellvertreter des Hitler, der Heilkundige Rudolf Hess, seine früheren Berufsgenossen bis zur Maßlosigkeit, so daß im neuen demokratischen Deutschland als natürliche Reaktion ein Niederlassungsverbot für weitere Heilkundige erlassen werden mußte, um dem ärztlichen Beruf den akademischen Charakter zu wahren.
Damit sind aber zugleich auch die akademisch gebildeten Psychotherapeuten, die von der Psychologie kamen, zum Aussterben verurteilt, .wenn sie weiter als "Heilkundige" gelten. Ihre Existenz war im "Dritten Reich" schon als "jüdisch verseuchte mystische Afterwissenschaft" erschwert, aber man wagte es damals nicht, sie zu verbieten. Man tolerierte sogar das Institut für Psychotherapie in Berlin in der Budapesterstraße, weil man seine guten Ruf nicht leugnen konnte.
Es geht nicht an, daß man jetzt das daraus erwachsene Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen (General Papestraße) unter der bewährten Leitung von Dr.Kemper (Charlottenburg 9, Sensburgeralle 6) aus Mangel an Studierenden schließt, weil diesen keine Niederlassungsmöglichkeit gegeben ist.
Wir schlagen deshalb vor:
Für die sowjetische Zone - analog den Sonderapprobationen der Zahn- und Tierärzte - zunächst bei der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin eine Approbation als See1enarzt und eine Promotion als Dr.med. psychol. zu schaffen.
Das Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin anzuschließen und seinem Dozentenausschuß aufzugeben, eine Studien- und Prüfungsordnung vorzubereiten, die folgende Bestimmungen enthält::
a) Zum Studium der Psychotherapie ist die gleiche, abgeschlossene Schulbildung wie die zum Studium der Medizin nachzuweisen. Immatrikulation erfolgt an der Medizinischen Fakultät.
b) Im 4. Semester ist das naturwissenschaftliche Vorexamen (Physikum) abzulegen. Ein Prüfungsfach ist die Geschichte der Philosophie.
c) Zur Meldung zum Staatsexamen ist der Nachweis von mindestens 4 klinischen Semestern zu führen in denen Testate Innerer Medizin (einschl. Auskultation und Perkussion), Neurologie, Psychiatrie beizubringen sind. In jedem Semester ist das Seminar für Psychologie einer deutschen Universität, in Berlin des Zentralinstituts für psychogene Erkrankungen zu besuchen.
d) Das Studium kann bei jeder med. Fakultät einer deutschen Hochschule durchgeführt werden. Zwei klinische Semester können auch in Zürich, Wien, Paris oder Budapest absolviert werden.
e) Die Promotion zum Doktor medizinae psychologiae (Dr.med.psychol.) kann erst nach dem Staatsexamen erfolgen. Die vom Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen resp. vom früheren Institut für Psychotherapie anerkannten wissenschaftlichen Psychotherapeuten verbleiben in ihren Rechten und erhalten die Approbation als Seelenarzt. Sie können den Titel Dr.med.psychol. durch eine Dissertation erwerben. Verdienten Psychotherapeuten, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, kann der Titel honoris causa verliehen werden.
f) Das Niederlassungsverbot für nicht approbierte heilkundige Psychotherapeuten bleibt bestehen..
gez. Dr. Glogau
Oberreg-MedizinalratWeiter (Fortsetzung Berufspolitik)
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